
DIE FRAGE IST DIE ANTWORT
Wir leben heute in einer Welt konstanter und dramatischer Veränderungen. Dieser Wandel durchdringt selbst den letzten und kleinsten Winkel unseres eigenen Lebens.
Wir spüren und erfahren diese Umwälzungen direkt oder indirekt auf unserem Bankkonto, unserem Arbeitsplatz, unserer Gesundheit oder selbst in der Hoffnung unserer Träume. Viele Menschen stellen sich die Frage, wie sie durch dieses Chaos sicher navigieren können, ob als Führungskraft in einem Unternehmen oder als Privatperson, denn wir haben es nicht gelernt mit solchen komplexen und schnelllebigen Situationen umzugehen. Die meisten Menschen realisieren nur, dass ihre bisher erlernten Lösungsstrategien versagen.
Ein kritischer Sandhaufen
Um unsere komplexen Veränderungen zu verstehen, betrachten wir ein sehr einfaches Modell, mit dem die meisten von uns von Kindheit an eine gewisse Intuition verbinden: den Sandhaufen. Wer hat nicht den durch die Finger oder das Stundenglas rieselnden Sand vor Augen, der sich zu einem kegelförmigen Haufen auftürmt.
Das interessante an einem Sandhaufen ist seine absolute Unberechenbarkeit. Hat der Haufen einmal eine bestimmte Größe erreicht, kann ein einzelnes Sandkorn eine Sandlawine auslösen. Danach kann man aber wieder Tausende Körner hinzufügen, bevor der Sandhaufen ein weiteres Mal ins Rutschen gerät. Jedes einzelne Korn auf dem Haufen ist gewissermaßen durch ein unsichtbares Netz aus Druck und Spannung mit allen anderen Körnern verbunden.
Die Teile eines solchen kritischen Systems können nicht isoliert begriffen werden. Die einzelnen Sandkörner unter einem Mikroskop zu betrachten liefert keinen Hinweis darauf, wie sich der gesamte Sandhaufen verhält. Doch wir halten allzu oft hartnäckig an dieser alten Gewohnheit fest, Stück für Stück und in Einzelheiten zu denken und dichten diesen Einzelteilen kausale Ursache-Wirkungs-Mechanismen an. Durch diese lineare Sichtweise haben wir einen Scheuklappenblick, welcher uns beschränkt und zu weiteren Fehlschlägen führt. Viele Manager und Analysten versteifen sich viel zu sehr darauf, was sie messen können, als darauf, was sie nicht messen können. „What you can’t measure – you can’t manage“ – ist bei Führungskräften noch immer gelebte Praxis.
Es ist an der Zeit, dieser althergebrachten westlich-intellektuellen Gewohnheit Lebewohl zu sagen. Diese Denkweise fußt auf den Gedanken von Aristoteles, dass alles ergründbar ist, wenn man es nur auseinandernehmen in seinen Einzelteilen untersuchen kann. Wir müssen also lernen, alles auf einmal zu betrachten, und die Dinge in einen Kontext stellen. Wenn wir einen Sandhaufen verstehen wollen, müssen wir tief in ihn hineinblicken und ergründen, welche Dinge die innere Struktur des Sandhaufens beeinflussen.
Die Frage ist die Antwort
lautet eine Weisheit des Zen-Buddhismus. Wie und wonach wir fragen, ist von entscheidender Bedeutung. In einer Welt konstanter Veränderungen müssen wir versuchen, diese Welt aus allen möglichen Blickwinkeln zu betrachten – indem wir den Blick schweifen lassen und auch unbequemen Wahrheiten ins Auge sehen. Wir müssen dazu ständig neue Fragen stellen und neue, bisher unbekannte Perspektiven ergründen.
Denn auf unterschiedliche Fragen erhalten wir auch unterschiedliche Antworten. Wir müssen lernen anders zu sehen und zu denken, dann können wir auch die neuen Herausforderungen meistern.