Ein heißes Thema: Die Pleite von Thomas Cook

Das heiße Thema dieser Woche: Die Pleite von Thomas Cook

Die Pleite des Touristikkonzerns Thomas Cook war/ist in aller Munde – so sehr, dass ich mich kurzfristig dazu entschlossen haben, mein ursprüngliches Thema für den Artikel dieser Woche fallen zu lassen. Stattdessen stürze ich mich agil, mit unzähligen anderen, auf das aktuell heiße Thema: Die Pleite von Cook.

  • Das möchte ich deshalb tun, um auf jene Seiten in diesem historischen Zusammenbruch eines Unternehmensriesen aufmerksam zu machen, die vermutlich bei der Analyse auch in diesem Fall gerne unter den Tisch gekehrt werden.

  • Ich spreche von den Faktoren, die meiner Meinung nach immer wieder dafür ausschlaggebend sind, das Unternehmen oder Aktivitäten von Menschen zusammenbrechen bzw. ein schlimmes Ende finden. Dazu zählt: Ignoranz bzw. kognitive Dissonanz, Sie kennen diesen Begriff bereits aus meinen letzten Artikeln, das falsche Maß, sprich zu viel Selbstüberschätzung, es ist doch alles noch machbar, man weiß genau was zu tun ist, Manager retten das Unternehmen bzw. …

Harte Aussagen, leicht dahingesagt – ich weiß. Ein Konzern in der Größe von Thomas Cook trägt viel Verantwortung, hat umfassende Kooperationen, muss wachsen, um das Unternehmen und damit die Kooperationen erfolgsversprechend am Leben zu halten, muss einsparen bzw. effizient sein, um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Pleite von Cook sei lt. Medien für die Wirtschaft in Griechenland der stärkste Schlag seit der Finanzkrise. Auch die spanische Touristikbranche ist stark betroffen und muss mit einem Verlust von mindestens 200 Millionen Euro rechnen.

Der Konkurrenzdruck ist gewaltig, und der ungelöste Brexit haben lt. Medien Cook ins Chaos gestürzt.[1] Ich würde es jedoch von einer anderen Seite kommend diagnostizieren – nämlich, die veraltete Vorstellung von Wachstum und Effizienzsteigerung, die damit verbundene Ignoranz für bahnbrechende Veränderungen haben Cook zu Fall gebracht.

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Ein mehr oder weniger durchgesättigter Markt kann Wachstum nicht mehr in der alten Vorstellung generieren, verliert an Kraft und auch an Interesse. Ebenso ist die Art und Weise, wie das Management die eigene Leistung würdigt, u.a. Boni von insgesamt 30 Millionen Pfund über die letzten Jahre hinweg [2], fragwürdig. Trotz dem Wissen der Chef-Etagen, dass das Unternehmen Cook alles andere als erfolgsversprechend unterwegs ist, hat man die Boni steigen lassen – ein seltsames Verständnis von Wachstum und Effizienz in Verbindung mit Leistung und Erfolg?! Cook ist hierbei keine Ausnahme, auch andere Unternehmen zahlen Boni in schwindelerregenden Höhen, obgleich die Erfolge manchmal fragwürdig sind.

Wachstum und die damit verbundenen Maßstäbe sind in Ordnung und zweckdienlich, wenn damit wirklich Verbesserungen, sinnvolle Entwicklungen, faire Bedürfnisbefriedigung, an Resilienz gewinnend ein neues Abenteuer auf dem Planet Erde angeheizt werden kann – zumindest sehe ich das als Konsument so.

  • Durch die neuen Medien und die technologischen Innovationen wird es vermutlich irgendwann möglich, Produkte ganz anders zu produzieren, vielleicht sogar einfach nebenan in einer Cafébar, die einen 3-D-Drucker bereitstellt. Vielleicht wird es reizvoll, durch die Errungenschaften der Digitalisierung von daheim aus einmal Schuhe zu produzieren oder Taschen, individuelle Zahnbürsten, austauschbare Brillengestelle, auffallende Handy-Taschen, uvm … All das sogar unter dem Aspekt der Nachhaltigkeit und dem Klimaschutz.

  • Interessant kann es auch werden, wenn man sich einen persönlichen Roboter, eine Artificial Intelligence (AI) zulegt, die dann beispielsweise die Buchhaltung vollständig übernimmt, oder den Verkauf von ungenutzten Dingen im Haushalt forciert – sprich, alles was über 1 Jahr lang nicht verwendet wurde, einfach in die Sozialen Netze zum Verkauf ankündigt und Dinge organisiert, die man wirklich benötigt, wofür ein Kauf jedoch vielleicht auch nicht notwendig ist, sondern die AI untereinander sich so organisieren und Dinge gegenseitig leihen, uvm …

Damit könnte man vielleicht wieder ein Wachstum und Erfolg generieren, aber ein Wachstum der ganz anderen Art. Diese Art zu wirtschaften regt vielleicht neues Interesse bei KundInnen, stillt den Bedarf nach Individualität, Erleichterungen, aber auch Bedürfnisbefriedigungen und ebenso Gleichheit für alle.

Die alte Art der Wirtschaft bietet kein positives Spannungspotential mehr. Doch genau das braucht es, um KundInnen zu halten bzw. neue KundInnen zu gewinnen – insbesondere heute in einer offenen und vernetzten Welt, wo man sich Produkte beispielsweise direkt aus China bestellen kann, oft zu einen Bruchteil des Preises von einem hiesigen Anbieter. Noch sind dabei vermutlich zu viele KonsumentInnen wegen der Sprachen abgeschreckt. Aber Dank AI ist beispielsweise die Sprache bei der Bestellung kein Problem mehr. Die AI kann alle Sprachen, die man dieser programmiert. Die AI kann weltweit Bestellungen entgegennehmen und die Hemmschwelle gegen Null reduzieren.

In vielen Bereichen können Menschen in Zukunft sogar durch AI ersetzt werden – u.a. ein Grund, warum Anders Indset, einer der global führenden Wirtschaftsphilosophen, Keynote-Speaker, Gastlektor an führenden internationalen Business-Schools, vertrauter Sparring-Partner für CEOs und PolitikerInnen, auch von der Quantenökonomie und neuen Kapitalisierungsformen spricht [3]. Mit der Pleite von Cook wird mir selbst noch viel klarer, dass die alte Art zu wirtschaften immer öfter Schiffe gegen die Wand fahren lassen wird. Cook ist einer davon, woran zu sehen ist, dass die Wirtschaft die Produkte, Produktionsweisen und Dienstleistungen umfassender revolutionieren wird müssen.

Die Wirtschaft konzentriert sich als Erfolgsfaktor jedoch immer noch auf das, was man in der Industrialisierung als Wachstum verstanden hat. Sie zwingt sich selbst Strategien auf, die der alten Vorstellung von Erfolg und Wachstum dienen, und übersieht, wie dringlich es wäre, Wachstum, Erfolg, Konkurrenz, Digitalisierung, Ziele, Strategien, Produkte und Dienstleistungen ganz neu zu denken – u.a. deutlich agiler zu denken.

Mir gab es zu denken, ich will den Namen jetzt nicht nennen, als eine hochrangige Führungskraft von einem deutschen Automobilriesen kürzlich bei einem Meeting als Antwort zu einer Frage gab: Wer weiß, ob es uns dann (2025) noch gibt?! Diese Aussage habe ich nicht erwartet. Und gleichzeitig hat es mich irgendwie gefreut, weil ich den Eindruck habe, dass doch einige anfangen wahrzunehmen, dass es im alten Verständnis von Erfolg und Wachstumsstreben nicht mehr weitergehen kann. Einigen ist bewusst, dass wir vor einer wirklich bahnbrechenden Wirtschaftsrevolution stehen – positiv wie auch negativ. Es wird viele neue GewinnerInnen geben, und viele VerliererInnen.

Die Angebote werden explodieren, die Konkurrenz verstärkt sich in ungeahnter Weise verteilt über den gesamten Globus, wo jeder und jede dank technischen Innovationen als AnbieterIn von Produkten mitmischen kann. AI mit Empathie programmiert wird dabei Sympathien gewinnen – auch wenn man sich das aktuell so nicht vorstellen kann. Ich habe es am eigenen Leib beim Ars Electronica Festival erlebt. Ich kann nur sagen, die Möglichkeiten Produkte und Dienstleistungen zu bewerben, aber auch die Möglichkeit Produkte zu produzieren, Produkte und Dienstleistungen vielfältiger zu nutzen, kann die Wirtschaft auf den Kopf stellen.

Die Welt verändert sich radikaler als man meinen möchte – die Wirtschaft kann sich davon nicht ausschließen. Das wollen jedoch noch immer viele in der Wirtschaft so nicht wahrhaben, weil die kognitive Dissonanz vor den damit verbundenen, u.a. auch persönlichen Unannehmlichkeiten schützen will – aktuell vor den 3 größten Bedrohungen oder sagen wir besser Herausforderungen, die auch noch verschränkt ineinander wirken, und sich damit aufschaukeln:[4]

1. Herausforderung für eine erfolgsversprechende Wirtschaft:

Bevölkerungswachstum in Verbindung mit Klimaerwärmung und dem Streben nach Gleichheit für alle ohne Grenzen – das hat umfassende Folgen, auch für die Wirtschaft. Die nächsten Jahre sind dahingehend turbulenter als man zu planen gedenkt. Erst vorgestern, am 25.09.2019, wurde ein weiterer Klimabericht herausgebracht, der ernsthaft zu denken geben sollte.[5]

2. Herausforderung für eine erfolgsversprechende Wirtschaft:

Automatisierung und Kompensation von Arbeiten, die von Algorithmen übernommen werden. Die Macht verschiebt sich von der zwischenmenschlichen Macht hin zur Macht in Algorithmen. Die AI wird bis zum Jahr 2050/2060 imstande sein, alle spezifizierbaren Tätigkeiten und auch viele kreative Arbeiten besser zu bewerkstelligen, als Menschen es tun, und damit Menschen ersetzen – die Folgen: Arbeitslosigkeit zwischen milde ausgedrückt 50% bis realistisch gedacht etwa 80%. Das maschinelle Lernen wird ein echter „Game Changer“ werden. Nicht ohne Grund habe ich in einem meiner zahlreichen Artikel in Bezug auf die Digitalisierung die Frage gestellt: Wenn Quantencomputer zum Einsatz kommen, wer arbeitet dann noch in Ihrem Unternehmen, als was?

3. Herausforderung für eine erfolgsversprechende Wirtschaft:

Exponentielle Fortschritte in Nano- und Biotechnologie, werden die Wirtschaft ebenfalls verändern. Diese Bereiche finden jedoch neben der Digitalisierung selten explizit Erwähnung, besitzen jedoch eine enorme Durchschlagskraft, und könnten die Wirtschaft und deren Strukturen in kaum erfasster Weise verändern.

Viele werden jetzt aufschreien und meinen, das sind alles Themen, die Ihr Unternehmen im Blick hat und entsprechend daran arbeitet. Aber wie wir wissen, die Erfolge der Digitalisierungsprozesse mit der damit verbundenen nötigen Agilität sind aktuell bescheiden. Es scheitern mehr als 2/3 der Unternehmen daran, agile Prozesse erfolgsversprechend zum Laufen zu bringen [6] – nachzulesen in meinem Artikel, agile Prinzipien sind zum Scheitern verurteilt.

Manche werden nun einhaken, Cook ist an ganz anderen Problemen gescheitert als an der Agilität. Ja und Nein, sage ich. Cook hat sich nicht früh genug mit neuen Geschäftsmodellen auseinandergesetzt – ebenfalls ein Aspekt von Agilität, der jedoch kaum so erwähnt wird. Sich mit New Business Models im Rahmen der Digitalisierung auseinanderzusetzen, scheint ein Randthema zu sein – insbesondere von großen Unternehmen.

Viele von den großen Unternehmen scheinen sich mit den eigenen Geschäftsmodellen nach wie vor sicher und zukunftsstark zu fühlen, und widersprechen vehement der Annahme, dass in den nächsten 20ig Jahren zahlreiche Unternehmen Schiffbruch erleiden könnten, wenn diese sich nicht umfassend neu orientieren und neu ausrichten.[7] Es mag zwar sein, dass man die Digitalisierung in der ersten Phase im althergebrachten Wachstums- und produktionsmechanistischen Denken gut über die Runden bringt, aber wie sieht es mit den nächsten digital-technischen Entwicklungsschüben aus – und die werden kommen, schneller als man zu glauben gedenkt.

Die Digitalisierung trägt das Potential in sich, von heute auf morgen alles auf den Kopf zu stellen – angefangen von der Produktion bis hin zum Verkauf, und alles dazwischen … Cook negierte jedoch über längere Zeit die Notwendigkeit, sich neu zu erfinden. Stattdessen verharmloste er über Jahre hinweg die Probleme. Bereist 2012 retteten mehrere Banken den Konzern vor dem Untergang. Nichtsdestotrotz haben sich die Chef-Etagen von Cook über die letzten Jahre hinweg große Boni auszahlen lassen.

Und jetzt – jetzt ist Cook bankrott, reißt Hotels, Kooperationspartner, TouristInnen in eine Krise. Weltweit müssen nun zigtausend UrlauberInnen nach Hause zurückgeholt werden. Manche der UrlauberInnen sitzen fest, andere werden sogar bedroht. Man spricht davon, dass Hoteliers auf der Dominikanischen Republik Kopfgeld auf deutsche UrlauberInnen setzen …[8] Man startet die größte zivile Rückholaktion unter dem Namen Matterhorn.[9] Warum die Rückholaktion durch die Pleite von Cook unter dem Codenamen Matterhorn läuft, das weiß ich nicht – das finde ich jedoch irgendwie makaber, witzig und sogar lehrreich.

Die Rückholaktion durch die Pleite von Cook hört sich an wie ein bahnbrechendes Abenteuer, ein agil, kollaborativ, vernetzt, flexibel, wendiges agieren, auf das man stolz ist. In größter Not hypt man das, was man seit Jahren mühsam predigt – Agilität. Vielleicht hängt es daran, dass man sich jetzt in der Not nicht mehr auf Wachstum und Effizienz konzentriert, sondern das tut, was zu tun im Moment ansteht – retten was zu retten geht. So gesehen müssten Unternehmen Agilität als Abenteuer sehen, versehen mit einem Codenamen, vielleicht nicht Matterhorn, sondern Mount Everest oder AI-Run, oder …

Der Pleite-Fall Cook zeigt, zumindest mir, dass es für jeden und jede an der Zeit wäre, die Wirtschaft neu zu denken. Auch wenn viele meinen, das trifft nur einzelne, wie beispielsweise Cook, das eigene Unternehmen kann es niemals so treffen. Ich persönlich würde es jedoch nicht mehr wagen, in hochdigitalen, vernetzten, in bald autonom arbeitenden Fabriken, Beispiel Post in China, die 2022 die Postabwicklung ganz ohne Menschen nur mit Robotern abzuwickeln plant, mich so wie manche Unternehmen sicher zu fühlen, nur weil man aktuell vielleicht ein Riese ist, und die Wachstumsprognosen angeblich gut sind.

Resümee

Viele Innovationen, strategisch wie auch technisch, die man scheinbar bemüht tätigt, sind leider mehr Show als reales Business. Noch mag es reichen, so zu agieren, aber wer weiß wie lange noch. Die Entwicklungen sind rasant, die Konkurrenz ebenfalls – insbesondere die von China und wer weiß, vielleicht sogar auch schon bald jene von den ansässigen Nachbarn.

Die Apokalypse ist damit noch nicht auserzählt – mein Gegenargument zu dem Artikel in ZeitOnline, der meint, dass Menschen nicht mehr gewillt sind, sich den Problemen aufrichtig zu stellen [10], sondern sich in Easy-Going-Lösungen gegenseitig beweihräuchern, anstatt der Realität ernsthaft ins Auge blicken. Mit dem Pleite-Fall von Cook spüre ich jedoch ein Aufflackern an ernsthafterer Reflexion. Die Ankündigungen, dass 2020 das Jahr der nächsten großen Wirtschaftskrise werden könnte, wird vielleicht im Angesicht der Pleite von Cook nun nicht mehr ganz so abwertend belächelt.

Der Haken an der Sache ist, dass Menschen Probleme lösen wollen, aber mit den Problemen nicht wirklich konfrontiert werden möchten – ein Paradoxon, aber ein äußerst reales, überall anzutreffendes Phänomen, das Cook schlussendlich das Genick brach. Cook hat es verabsäumt, sich wirklich tiefgreifend und umfassend auf die Probleme einzulassen, und das Unternehmen resilient werden zu lassen – eine Notwendigkeit, um die Zukunft meistern zu können.

In einer digital hochgradig vernetzt verschränkt agierenden, an Komplexität, aber auch an Umweltbelastungen und Ressourcenknappheit wachsenden Welt braucht es ein hohes Maß an Resilienz, die auf 3 Ebenen wirken sollte:[11]

  1. Ebene der Technik

  2. Ebene der Organisation in Form von redundanten Organisationsstrukturen

  3. Menschlichen Ebene, indem Menschen in Arbeitsprozessen nicht mehr nur zu optimieren gedrängt, sondern die kreativen Potentiale abseits von Selbstoptimierung und Effizienz zu fördern gesucht werden.

Das heißt, wir brauche eine Transformation in den Unternehmen auf allen drei Ebenen, wo technologische und soziale Transformation Hand in Hand gehen. Aber genau diese geforderten Maßnahmen können aus einer effizienten, nach Wachstum orientierten Unternehmensstruktur heraus nicht greifen – eingehender nachzulesen in meinem Artikel, Effizienz mutiert vom Erfolgsmittel zum Fehlgriff.

Die Herausforderungen unserer Zeit, Komplexität, verschränkte Strukturen, Umweltbelastung, …, effizient und gleichzeitig wachstumssteigernd lösen zu wollen, gleicht einem Himmelfahrtskommando. Und für dieses vermeintliche Himmelfahrtskommando braucht es eine andere Begleitung, als sie klassische Unternehmensberatungen bieten. Hier braucht es Unternehmen mit einem Portfolio wie VORSPRUNGatwork bzw. den Arbeits- und Lösungsansatz, WeQ statt IQ, Change am System statt an Symptomen.

Die Risiken, die weitschichtigen Verschränkungen mit den schwer zu erfassenden Folgen, die Schwarzen Schwäne sind das relevante Rüstzeug um tiefgreifende Lösungen generieren zu können. Doch genau dieses lässt man als scheinbar beiläufigen Ballast bei all den Vereinfachungen weg.[12] Die Folgen davon bekommt Cook jetzt leibhaftig zu spüren. Die Gefahren sind mit dem Sturz von Cook für die anderen nicht aufgelöst – sprich wenn einer von den Riesen fällt, dann überleben die anderen und die Gefahr ist gebannt. Diesem Irrtum verfällt man ebenfalls leicht, fühlt sich scheinbar wieder sicher und …

  • ignoriert oder verharmlost die Krisen- bzw. Herausforderungssignale erneut,

  • tut so, als ob man selbst alles im Griff hat,

  • neigt weiterhin zur Selbstüberschätzung, sieht sich besser und klüger als der Gefallene,

  • oder schließt sich einfach nur dem Herdentrieb an, sagt weiterhin Ja, so geht es, statt Nein, um nicht aufzufallen.

Es ist nicht nur die kognitive Dissonanz, sondern auch die Gewohnheit, sich so von den Herausforderungen zu distanzieren und sich damit zu belügen. Neu ist nur: Man betrügt jetzt nicht nur die anderen, die irgendwo da draußen in der Welt sind, sondern inzwischen auch die eigenen Leute – die eigenen Kinder, Nichten, Neffen, Enkel und all jene, die nach uns kommen. Die Menschen und die Unternehmen wollen die Probleme lösen, ja, unbedingt, aber nur, wenn man selbst davon nicht betroffen ist – ein schönes Trugbild, dass schlussendlich Cook das Leben kostete.

  • Unternehmen und deren Führungskräfte wollen Neues fördern, aber nur, wenn das Management selbst so weitermachen kann wie bisher, mit den bisher gültigen Annehmlichkeiten.

  • Unternehmen und deren Führungskräfte wollen Prozesse verändern, aber nur, wenn die Unternehmensstrukturen und das Management selbst von den Folgen der Veränderungen, von Neuausrichtungen und Neubewertungen der Aufgaben und Vergütungen verschont bleiben.

Aus dieser Sicherstellung bzw. Schutzhaltung heraus ist es jedoch nicht möglich, die Herausforderungen unserer Zeit erfolgsversprechend, ohne Chaos anzuleiten. Eine agile Transformation kann in Unternehmen, die klassisch organisiert sind, nicht funktionieren. Es benötigt ausnahmslos auf allen Ebenen einen Prinzipienwechsel, wenn man es ehrlich vor hat, die Wirtschaft auf einen erfolgsversprechenden, verantwortungsbewussten Weg in die Zukunft zu führen.

Jump in a new fishbawl, use technology to make new things and not to make things efficient.[13]

Es geht nicht darum, alle bisher gültigen Regeln abrupt zu ändern. Es geht vielmehr um ein neues Bewusstsein und weitreichende Einsicht für die Prozesse, die gerade ablaufen. Man kann nicht von heute auf morgen eine große Organisation von Hierarchie auf fluide Hierarchie umbauen. Dafür braucht es auch die richtigen Leute. Es gibt Unternehmen mit flachen Hierarchien, die ziehen aber vielleicht auch schon Mitarbeitende an, die anders arbeiten können und wollen.[14] Es geht aktuell konkret viel mehr darum, umfassend weitreichend über den eigenen Tellerrand hinaus einzusehen, was weitreichend passiert, vor welchen Herausforderungen die Unternehmen wirklich stehen ohne diese gleich wieder herunterzuspielen.

It is about knowing the difference between what you have a right (or the power) to do and what is the right thing to do.[15]

Im Verständnis von Armin Nassehi, Deutschlands wichtigster Gegenwartsanalytiker, sollten wir Wachstums-, Erfolgs- und damit verbunden Konkurrenzdenken in einer anderen Art nutzen. Nassehi meint, man sollte die Konkurrenz zum Miteinander werden lassen, sich gegenseitig mit den unterschiedlichen Logiken und Perspektiven ehrlich und offen aufzeigen, was die Herausforderungen sind, und gemeinsam echte Lösungen umsetzen. Dafür braucht es jedoch neue Bündnisse von AkteurInnen unterschiedlicher Systemlogiken. Es braucht neue Orte, Foren, in denen sich die unterschiedlichen Logiken gegenseitig verunsichern können – genau das, was man eigentlich zu vermeiden sucht, Verunsicherung. Und so stelle ich abschließend zu diesem Artikel 4 Fragenkomplexe in den Raum:

  1. Sind wir bereit, die Wachstumslogik, das Effizienzstreben, die gewohnte Art und Weise Wirtschaft zu denken, in Frage zu stellen und gemeinsam, statt in Konkurrenz zu anderen Systemlogiken, die Herausforderungen lösen zu wollen?

  2. Welche nächsten Schritte müssten wir konkret dafür setzen?

  3. Wieviel Zeit widmen wir den neuen Bündnissen bzw. welche Bündnisse, die außerhalb unserer Systemlogik agieren, würden wir als erstes kontaktieren, und uns mit denen auf Augenhöhe ehrlich und weitreichend lösungsgewillt auseinandersetzen?

  4. Oder enthalten wir uns weiterhin einer tiefgreifenden Auseinandersetzung – so wie es ein Finanzvorstand eines großen Dax-Konzerns in kleiner Runde zugibt: Wir warten, wir verschieben Entscheidungen.[16] Doch genau diese Strategie könnte in agilen, hoch verschränkten Zeiten von einem Tag zum anderen das Aus bedeuten – wie im Fall Cook.

Ihr Günther Wagner

 

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Informationsquellen:

[1] https://www.merkur.de/wirtschaft/thomas-cook-pleite-schwerwiegende-folgen-fuer-griechenland-und-spanien-touristen-verzweifelt-zr-13027498.html. Am 2019-09-26 gelesen.
[2] https://www.merkur.de/wirtschaft/thomas-cook-pleite-schwerwiegende-folgen-fuer-griechenland-und-spanien-touristen-verzweifelt-zr-13027498.html. Am 2019-09-26 gelesen.
[3] https://newmanagement.haufe.de/strategie/anders-indset-suche-nach-einem-neuen-wirtschaftsuniversum. Am 2019-07-16 gelesen.
[4] https://www.swissleaders.org/anders-indset-ueber-fuehrer-des-wandels-und-maximierer-von-mitgefuehl/. Am 2019-07-16 gelesen.

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