Ent-Scheiden oder Scheiden

Teil 4 aus dem Zyklus: „Wirksam Führen wie ein Samurai“

Bin ich bereit, mutig und couragiert mit Standfestigkeit, Wendigkeit und Intuition Entscheidungen zu treffen?

„Der Samurai trifft seine Entscheidungen innerhalb von sieben Atemzügen.“

Dieses Zitat aus dem „Hagakure“ hatte ich vor einiger Zeit auf Linked-in gepostet und damit eine „kleine“ Diskussion im Netz ausgelöst. Die Diskutanten waren spontan der Meinung, dass dies in unserer Zeit und unserem Kulturkreis so nicht möglich und umsetzbar ist.

Sicher war allen bewusst, dass diese Aussage eine Metapher, eine Lebensweisheit für bestimmte Situationen ist und versteckt vielleicht auch für unseren Kulturkreis einen Funken Weisheit in sich trägt. Die Diskutanten haben von ihrem Standpunkt aus betrachtet auch Recht, dass die Aussage nicht passend sei. Doch gehen wir einen Schritt zur Seite und betrachten den Inhalt von Neuem.

„Bin ich bereit, mutig und couragiert mit Standfestigkeit, Wendigkeit und Intuition Entscheidungen zu treffen? “

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Die Botschaft ist, die Entscheidungen bewusst, auch unter Einbezug der intuitiven Intelligenz zu treffen. Strategisch durchdachte Entscheidungen sind wichtig, aber es mangelt diesen an Bewusstsein der versteckten Einflussnahme anderer Entscheidungs-Mitspieler, oder auch der Vernachlässigung wichtiger Entscheidungs-Ratgeber wie der Intuition.

So ist z.B. die Intuition fähig, sehr schnell einen Weg zu finden, wenn es notwendig ist, und sich Zeit zu lassen, wenn die Zeit für eine Entscheidung noch nicht reif ist. Dann lautet die Entscheidung, den Mut aufzubringen und noch keine Entscheidung zu treffen, was konkret betrachtet auch eine Entscheidung ist.

In der Aussage ist ein weiterer wesentlicher Punkt enthalten:

Intuitiv gesetzte Entscheidungen binden das Verantwortungsgefühl mit ein.

Ein Faktor, der für die Zukunft unseres Planeten auch nicht außer Acht gelassen werden sollte. Oder tangiert es Sie überhaupt nicht, wenn Sie hören oder lesen, dass beispielsweise durch die Klimaerwärmung unzählige Lebensarten vom Aussterben bedroht sind, oder viele Menschen auf der Flucht sein werden? Wie werden Ihre Kinder oder die Kinder Ihrer Freunde und Verwandten leben, wenn die Ressourcen dieser Erde immer knapper werden? Lässt Sie die Annahme kalt, dass unsere Nachkommen eventuell einen Ressourcenkrieg erleben müssen, da wir – Ihre Vorbilder – mutlose oder vorwiegend egozentrisch ausgerichtete Entscheidungen treffen?

 

Wer Entscheidungen trifft – trägt Verantwortung

Wer heute Entscheidungen trifft, trägt unausweichlich auch Verantwortung für die Zukunft, für die Ökologie, für …

  • Sind wir mutig, couragiert und selbstreflektiert genug, um Entscheidungen zu treffen, die das Leben der Menschen und der Umwelt, und nicht bloß die Zahlen im Buch bzw. im www., oder das eigene Konto mit Gewinn erfüllen?

  • Sind wir mutig und couragiert genug, auf dem Entscheidungsweg für Fehltritte offen und ehrlich gerade zu stehen, daraus zu lernen und neue Lösungen zu finden?

  • Was alles beeinflusst eigentlich unser Entscheidungsverhalten? Wir meinen so oft, gut überlegt zu entscheiden, aber entspricht das wirklich der Realität?

Ich will mit meinen Fragen niemanden zu Nahe treten. Wir alle treffen aus bestem Wissen und Gewissen unsere Entscheidungen. Und genau an diesem Punkt, dem Wissen und Gewissen ist meinem Empfinden nach mehr Bewusstsein, und damit mehr Entscheidungskraft und Weitblick möglich. So komme ich gleich auf einige von vielen weiteren Aspekte, die das Entscheidungsverhalten ungünstig beeinflussen.

 

Was erschwert unser Entscheidungsverhalten

  • Perfektionismus

Dies zeigt sich in den unüberschaubaren und nie enden wollenden Dingen, die von Perfektionisten noch abgeklärt, überprüft und getestet werden wollen, bevor sie ihre Entscheidungen treffen. Statt bei 80% Klarheit voranzuschreiten, verbrauchen Perfektionisten für die Sicherstellung der Entscheidung eine Unmenge an Ressourcen – personell, materiell und zeitlich. 

  • Zaudern und Zögern

Andere haben wiederum Angst, mit einer Entscheidung weitere Optionen zu verlieren. Diese Menschen wollen sich alle Türen offenhalten. Die Angst etwas zu versäumen, einen Umweg auf sich nehmen zu müssen, dabei vielleicht etwas zu verlieren, … hemmt diese Menschen Entscheidungen zu treffen.

  • Ungeduld und Jähzorn

Im Gegensatz zu Zaudern und Zögern dominiert bei der Ungeduld die Angst davor, durch eine Nicht-Entscheidung etwas zu verlieren, zu versäumen oder sonst wie benachteiligt zu werden. So werden Entscheidungen zu schnell getroffen. Manche spüren auch, dass sie die Ungeduld getrieben hat und bereuen im nachhinein sogar ihre zu rasch gefällte Entscheidung.

  • Kritik

Einige haben Angst für ihre Entscheidung kritisiert zu werden, und gehen daher lieber auf die Zuschauer-Bühne oder delegieren die Entscheidung an Gremien, an externe Berater und verschanzen sich hinter diesen anderen. Denn wer entscheidet, dem kann man auch die ganze Schuld aufbürden. Die ganze Gesellschaft kritisiert heute, am liebsten auf max. 140 Zeichen reduziert, öffentlich, oft respektlos, verletzend und ohne Hintergrundwissen. Davor haben wir Angst.

  • Stress

Unter Stress, was auch immer die Auslöser sind, haben wir eine Limitierung unserer eigenen Sichtweise/ Perspektive. Dadurch steigen wir in einen negativ geprägten Gedanken-Strudel, welcher das Entscheidungsverhalten entsprechend blockiert. Im Stress wird unser Immunsystem hinunter gefahren, und unser vegetatives Nervensystem unterliegt nicht mehr unserer vollständigen Kontrolle. Es wird faktisch nur noch nach dem Flucht-Angriff-Reflex gehandelt.

  • Muster und Automatismen

Unsere Verhaltensweisen werden im Alltag von Mustern und Automatismen gelenkt. Wir meinen zwar, dass wir viele Handlungen aktiv, bewusst und in neuer Weise setzen, doch ein Großteil unserer Verhaltensweisen läuft wie eine programmierte Maschine ab. Im Laufe der Automatisierungs- bzw. Sozialisierungsphase hat unser System in Bezug auf die jeweiligen Situationen entsprechende Handlungsmuster einstudiert und programmiert, die damals in der Lernphase gewinnbringend bzw. ein Überleben gesichert haben.

So treffen erwachsene Menschen in vielen Situationen keine wirklichen Entscheidungen, sondern die Entscheidungen werden von den unbewusst wirkenden Mustern und Automatismen angestoßen.

 

Was beeinflusst unser Entscheidungsverhalten in günstiger Weise?

Die Samurai können ein großer Lehrmeister in dieser Frage sein. Nicht das ich deren Leben hier glorifizieren möchte. Aber deren Einstellung und Verhalten kann uns im Umgang mit der Entscheidungsfindung sehr hilfreich sein.

  • Vertrauen statt Angst

Die Samurai übten sich täglich darin, sich mutig und mit starkem Geist einem Gegner zu stellen. Durch tägliches Training perfektionierten sie ihre Kampftechniken, Willenskraft, Mut, Furchtlosigkeit und Überwindung ihrer Ängste. Das Entscheidende in der Schwertkunst ist, frei von Angst vor dem Tod zu sein. Ging es im Kampf doch um Leben oder Tod.

Wagen Sie es Ihre Ängste zu überwinden. Furchtlos zu sein heißt nicht, seine Ängste zu unterdrücken, sondern sich diesen zu stellen. Tun sie daher genau das, wovor Sie sich fürchten. Konflikte zu vermeiden führt Sie in die Sackgasse, dort wird es irgendwann sehr eng. Wagen Sie es zeitgerecht, bevor Sie in der Sackgasse sitzen, sich den Herausforderungen zu stellen, und suchen Sie sich einen Partner, mit dem Sie diese Situationen reflektieren können.

Wagen Sie es Misserfolge auf diesem Weg bewusst anzusehen und durchzugehen. Die Misserfolge sind gute Ratgeber und notwendige Stufen auf dem Weg zum Erfolg. Misserfolge sind aber auch ein Ansporn, neue Wege zu suchen und zu experimentieren.

  • Veränderung der Einstellung

Am Beispiel „Bewusstsein – statt Perfektionismus“ möchte ich verdeutlichen, dass Automatismen und Muster im Entscheidungsverhalten bewusst gemacht werden können. Bevor Sie in Bezug auf einen vorhandenen Perfektionismus zu viel Aktionismus in Ihre noch ungelösten Details fließen lassen und damit Ihre Ressourcen strapazieren, lehnen Sie sich zurück, und lassen Ihren Atem etwas zur Ruhe kommen. 

Dann betrachten Sie all das, was Ihnen durch den Kopf geht. Versuchen Sie jetzt, in Bezug auf Ihren Perfektionismus, die ungelösten Details nicht als Begrenzung oder Hindernis zu sehen. Schauen Sie, welche Details aus Sicht der Lösung welche Priorität haben könnten. So reduzieren sich die vielen Details oft auf 1 …2 wirklich wesentliche, um eine Entscheidung zu treffen.

  • Innere Bilder der Zukunft

Kampfkünstler arbeiten sehr viel mit inneren Bildern und entwickeln für den Außenstehenden unvorstellbare Leistungen, noch dazu mit einer schieren Leichtigkeit. Nehmen Sie nur die Präsentationen der Shaolin-Mönche. Aber auch Sie können diese Technik nutzen, um Ihr Entscheidungsverhalten positiv zu unterstützen. Entwickeln Sie innere Bilder der Zukunft, und Bilder davon, was sich durch Ihre Entscheidung in 1 oder 2 Jahren ergibt.

  • Wie klar ist Ihr Bild der Zukunft und Ihrer Entscheidungen?

  • Wie sieht das Bild aus der Perspektive der relevanten Umwelten (Mitarbeiter, Kunden, Kapitalgeber, Partnerunternehmen, etc.) aus?

  • Was fühlen Sie bei der Betrachtung Ihrer zukünftigen Entscheidungen?

  • Was brauchen Sie, um Ihre Entscheidungen in die Realität zu überführen?

  • Wie hören sich Ihre Entscheidung ganz konkret an?

Nehmen Sie Ihr Smartphone und zeichnen Sie jetzt Ihre Entscheidung auf. Hören Sie sich Ihre Entscheidungen an. Wie entschlossen und überzeugend klingen Ihre Entscheidungen? Wie klar ist der Auftrag?

  • Mindfulness praktizieren

Sie werden vermutlich merken, dass Ihre Gedanken unruhig hin und her springen, dass Ihre Gedankenströme auf das was Sie gerade lesen eine Vielzahl an weiteren Gedanken auslösen. Ihre Gedanken reagieren unentwegt auf die Impulse. Das ist normal und gleichzeitig ein großes Handicap. Deshalb übten sich die Samurai regelmäßig darin, ihre Gedanken zu kontrollieren und Aufgaben fokussiert zu erledigen.

Wir können in Anlehnung an die Samurai Mindfulness praktizieren. Das ist eine wissenschaftlich untersuchte Form/ Methode der Meditation und ein effektiver Weg zur Kontrolle der nie enden wollenden Gedankenströme. Es ist eine exzellente Methode, die uns hilft den täglichen Stress zu reduzieren. Mindfulness unterstützt Sie dabei, dass Sie nicht unentwegt von einem Gedanken zum anderen springen müssen, sondern in Bezug auf Ihre Gedankenströme standfest und entspannt bleiben und einen klaren Blick finden. Mehr Informationen finden sie in dem Buch von Jon Kabat-Zinn „Achtsamkeit für Anfänger“.

  • Gewissen miteinbeziehen

Allein mit dem entspannten klaren Blick übersehen Sie die Auswirkungen Ihrer Entscheidungen nicht – ein für die Samurai ebenfalls relevanter Punkt. Diese entwickelten einen Verhaltenskodex des Kriegers. Ihr Wertebewusstsein war eine Grundlage für ihren Erfolg. Dieser war u.a. geprägt von den moralischen Werten und gesellschaftlichen Verhaltensregeln des Konfuzius. Unsere Kultur beruht auch auf Werten, die jedoch im Laufe der Zeit an Relevanz und Tragfähigkeit verloren haben. Die Säkularisierung ist ein Zeichen dafür. Die Werte der Kirche sind sicher zu überdenken, aber ganz ohne Werte zu leben, wohin führt das?

Jede Entscheidung hat immer weitreichende Auswirkungen, die einem Entscheidungsträger bewusst sein sollten. Die höchste Instanz ist dabei das Gewissen. So habe ich schon zu Beginn dieses Artikels auf die Relevanz der Verantwortung hingewiesen. Und nachdem dieser Aspekt meiner Meinung nach für eine lebenswerte Zukunft auf diesem Planeten wichtig sein wird, wiederhole ich die Aussage.  Wer heute Entscheidungen trifft, sollte auch Verantwortung für die Gesellschaft, für die Ökologie, für … tragen.

  • Bin ich mutig, couragiert und selbstreflektiert genug, um Entscheidungen zu treffen, die das Leben der Menschen und der Umwelt, und nicht bloß die Zahlen im Buch bzw. im www., oder mein eigenes Konto mit Gewinn erfüllen?

  • Treffe ich Entscheidungen so, dass ich kurzfristig der Hauptgewinner bin?

  •  Was an meinen Entscheidungen könnte anderen schaden? 

Wagen Sie einen Blick auf Ihr eigenes Entscheidungsverhalten und haben Sie den Mut etwas zu ändern, wenn Sie Ihr eigenes Verhalten unangenehm berührt. Das lässt Sie persönlich und auch gesellschaftlich im Laufe der Zeit stressfreier agieren, und bringt Ihnen irgendwann einmal auch eine besondere Art der Erfüllung und Anerkennung.

 

Ihr Günther Wagner

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