
DER TRAUM ERFOLGREICHER ENTSCHEIDUNGEN – UND DIE REALITÄT
Viele haben verlernt, Entscheidungen zu treffen.[1]
Mir ist klar, das ist eine harte Aussage. Auch wenn es viele nicht gerne hören, doch im Management gibt es eine Reihe von Führungskräften, die meinen, Entscheidungen zu treffen, obwohl sie es genau genommen gar nicht mehr tun. Das ist keinem vorzuwerfen, denn die Vorgaben führen in der Regel dazu.
Das gibt mir jedoch zu denken. Und so möchte ich heute in meinem Beitrag die Entscheidungskultur, das was das Verhalten bei Entscheidungsprozessen beeinflusst, etwas näher beleuchten und zwei Tipps geben, ein nicht mehr ganz stimmiges Entscheidungsverhalten neu auszurichten.
Aktuell agieren immer mehr Führungskräfte in der subjektiven Utopie, dass sie eine Entscheidung getroffen haben, obgleich es gar nicht so ist. Verantwortliche EntscheiderInnen werden immer mehr zu passiven EntscheiderInnen, und segnen beispielsweise algorithmenbasierte Entscheidungsvorschläge unter der Überzeugung ab: „ich habe entschieden“.[2] Bis zum gewissen Grad, kann man das als Entscheidung sehen. Aber das ist mehr ein reaktives bzw. defensives Entscheiden und weniger eine proaktives Entscheidung, unter der Prämisse, sich für die beste Lösung einzusetzen. Mit einem defensiven Entscheidungsverhalten wird hingegen jene Entscheidung gewählt, von der die wenigsten Klagen im Anschluss erwartet werden – und diese Entscheidungen sind vielleicht nicht unbedingt die Besten.[3]
Wer sich nie für etwas richtig entscheidet, lässt sich treiben.[4]
Hier geht es um die Entscheidungsverantwortung, darum dass Führungskräfte Entscheidungen mit Verantwortungsbewusstsein und Verantwortungsgefühl, mit all den damit verbundenen Konsequenzen tatsächlich übernehmen. Jede Entscheidung zieht Konsequenzen nach sich, für die geradegestanden werden sollte. Aber aktuell leben wir in einer Zeit, in der immer weniger Verantwortung übernommen wird – und die Digitalisierung fördert das noch. Vielleicht zeigt man sich nach außen hin proaktiv entscheidend, aber real tut man es nicht. Viele wagen es nicht mehr, sich konkret festzulegen, sondern lassen sich lieber festlegen, u.a. durch von Computerprogrammen berechnete Lösungen.
Risikoarme und konsensorientierte Abstimmungsrituale ersetzen individuelle Entscheidungscourage.[5]
Vorstände und Aufsichtsräte beschäftigen sich mehr und mehr mit Strategien zur Absicherung der Unternehmen und der eigenen Person. Damit werden jedoch viele andere relevante Entscheidungen, wie beispielsweise Klimaschutz, gesellschaftliche Verantwortung, MitarbeiterInnenverantwortung, … zweitrangig.[6] Dieses Verhalten kann niemandem zum Vorwurf gemacht werden. Wir leben in einer Kultur, in der Fehler negativ beurteilt werden. Das fördert in keiner Weise ein proaktives Entscheidungsverhalten. Anstatt Courage für Entscheidungen, herrscht die Angst vor Fehlentscheidungen. So gesehen muss zuerst einmal ein positives Fehlermanagement implementiert werden, damit darauf aufbauen vertrauensvoll und achtsam auch wieder ein proaktives Entscheiden möglich wird. Angst ist, ob wir wollen oder nicht, ein Entscheidungskiller.
35% der befragten Innovationschefs gaben zu, dass sie Innovationen aus Angst verhindert haben.[7]
Dabei ist Angst bzw. das Überspielen der Angst gar nicht der schlimmste Aspekt, sondern viel mehr die Tatsache, dass durch Angst couragiertes Entscheiden, Denken und Handeln verhindert wird.[8] Die Krise bei VW ist dafür ein gutes Beispiel. Niemals hätte sich ein solches Netzwerk der Täuschung entwickeln können, wenn in diesem Unternehmen eine aktive, positive Entscheidungskultur gelebt worden wäre.[9]
WAS BEEINFLUSST DAS ENTSCHEIDUNGSVERHALTEN – POSITIV WIE NEGATIV
Wenn das Entscheidungsverhalten aktuell so schlecht sein soll, dann frage ich mich, woran es liegt, und wie man proaktives Entscheiden wiedererlangen kann? Eine Grundannahme stelle ich jetzt in den Raum, weil diese einen äußerst wichtigen Punkt im Entscheidungsverhalten trifft:
Jede Entscheidung sollte unter Einbezug der intuitiven Intelligenz getroffen werden.
Strategisch durchdachte Entscheidungen sind wichtig, aber es mangelt diesen an Bewusstsein der versteckten Einflussnahme anderer Entscheidungs-Mitspieler bzw. der Vernachlässigung wichtiger Entscheidungs-Ratgeber, wie der Intuition. So ist beispielsweise die Intuition fähig, sehr schnell einen Weg zu finden, wenn es notwendig ist; und sich Zeit zu lassen, wenn die Zeit für eine Entscheidung noch nicht reif ist. Dann lautet die Entscheidung, den Mut aufzubringen und noch keine Entscheidung zu treffen, was konkret betrachtet auch eine Entscheidung ist. In dieser Aussage ist ein weiterer wesentlicher Punkt für proaktives Entscheiden enthalten:
Intuitiv gesetzte Entscheidungen binden das Verantwortungsgefühl mit ein.
Ein Faktor, der für die Zukunft unseres Planeten auch nicht außer Acht gelassen werden sollte. Doch bei einigen EntscheidungsträgerInnen zeigt sich mehr ein kurzlebiges, ohne scheinbar Bedacht auf die langfristigen Folgen nehmendes Entscheidungsverhalten. Man will anscheinend niemanden vor den Kopf stoßen, und sagt lieber Nein zu bestimmten Entscheidungen und Ja zu anderen, die jedoch auf Dauer sicher nicht optimal sind.
Tangiert es Sie beispielsweise überhaupt nicht, wenn Sie hören oder lesen, dass durch die Klimaerwärmung unzählige Lebensarten vom Aussterben bedroht sind, oder viele Menschen auf der Flucht sein werden? Wie werden Ihre Kinder oder die Kinder Ihrer Freunde und Verwandten leben, wenn die Ressourcen dieser Erde immer knapper werden? Lässt Sie die Annahme kalt, dass unsere Nachkommen eventuell einen Ressourcenkrieg erleben müssen, weil wir – „ihre Vorbilder“ – defensive oder zu egozentrisch ausgerichtete Entscheidungen getroffen haben?[10] Wer heute Entscheidungen trifft, trägt unausweichlich auch Verantwortung für die Zukunft außerhalb des Unternehmens.
Ich will mit meinen Fragen niemanden zu Nahe treten. Wir alle versuchen aus bestem Wissen und Gewissen unsere Entscheidungen zu treffen. Und genau an diesem Punkt, dem Wissen und Gewissen ist meinem Empfinden nach mehr Reflexion denkbar. Es geht hier nicht um eine Anklage, sondern um das Wahrnehmen von dem, wie die in Unternehmen geförderte Entscheidungskultur aktuell tickt. Es geht darum einzusehen, wie die gängigen Entscheidungskulturen im Management jeden einzelnen im Verhalten entsprechend beeinflussen, bzw. ein bestimmtes Verhalten auslösen, wie u.a.:
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Perfektionismus
Bevor PerfektionistInnen Entscheidungen treffen, versuchen diese alles perfekt abzuklären, um sich perfekt abzusichern. Statt bei 80% Klarheit voranzuschreiten, verbrauchen Perfektionisten für die Sicherstellung der Entscheidung eine Unmenge an Ressourcen – personell, materiell und zeitlich.
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Zaudern und Zögern
Andere haben wiederum Angst, mit einer Entscheidung weitere Optionen zu verlieren. Diese Menschen wollen sich alle Türen offenhalten. Die Angst etwas zu versäumen, einen Umweg auf sich nehmen zu müssen, dabei vielleicht etwas zu verlieren, … hemmt diese Menschen Entscheidungen zu treffen.
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Ungeduld und Jähzorn
Im Gegensatz zu Zaudern und Zögern dominiert bei der Ungeduld die Angst davor, durch eine Nicht-Entscheidung etwas zu verlieren, zu versäumen oder sonst wie benachteiligt zu werden. So werden Entscheidungen zu schnell getroffen. Manche spüren auch, dass sie die Ungeduld getrieben hat und bereuen im Nachhinein ihre zu rasch gefällte Entscheidung.
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Kritik
Einige haben Angst für ihre Entscheidung kritisiert zu werden, und gehen daher lieber auf die ZuschauerInnen-Bühne oder delegieren die Entscheidung an Gremien, an externe BeraterInnen und verschanzen sich hinter diesen anderen. Denn wer entscheidet, dem kann man auch die ganze Schuld aufbürden. Die ganze Gesellschaft kritisiert heute, am liebsten auf max. 140 – 280 Zeichen reduziert, öffentlich, oft respektlos, verletzend und ohne Hintergrundwissen. Davor haben wir Angst.
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Stress/Angst
Unter Stress haben wir eine Limitierung unserer eigenen Sichtweise/ Perspektive. Dadurch steigen wir in einen negativ geprägten Gedanken-Strudel, welcher das Entscheidungsverhalten entsprechend blockiert. Im Stress wird unser Immunsystem hinuntergefahren, und unser vegetatives Nervensystem unterliegt nicht mehr unserer vollständigen Kontrolle. Es wird faktisch nur noch nach dem Flucht-Angriff-Reflex gehandelt. Stress und Angst gehen dabei Hand in Hand. Angst löst Stress aus. Stress steigert die Angst, … Aus einem solchen Zustand heraus kann auf keinen Fall eine proaktive Entscheidung getroffen werden.
Es ist wichtig diese negativen Einflussnahmen auf das Entscheidungsverhalten bewusst zu machen. Das ist die Grundvoraussetzung dafür, das Entscheidungsverhalten neu auszurichten, bzw. in positiver Weise zu beeinflussen. Achtsamkeit ist dabei wieder ein wunderbares Instrument.
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Mindfulness praktizieren, das heißt u.a. Stress und unangenehme Gefühle überwinden und Vertrauen aufbauen
Vielleicht merken Sie jetzt gerade im Moment, dass Ihre Gedanken unruhig hin und her springen, dass Ihre Gedanken auf das was Sie gerade lesen eine Vielzahl an weiteren Gedanken und damit verbunden Gefühlen produzieren. Ihre Gedanken reagieren unentwegt auf die Impulse. Das löst, ob Sie wollen oder nicht, Gefühle aus – angenehme oder auch unangenehme. Das ist ganz normal, aber gleichzeitig eben auch das große Handicap.
Ohne Achtsamkeit agieren wir wie ein Autopilot, versuchen aufkommende Unsicherheit, Angst, Verärgerung, … fernzuhalten, uns zu wehren oder abzusichern. Das geschieht fast immer unbewusst und sehr schnell. Deshalb spreche ich vom Autopiloten, weil wir unser eigenen Verhalten weit weniger bewusst im Griff haben als wir meinen. Mindfulness hingegen kann uns darin unterstützen, von den eigenen Gedanken und Gefühlen nicht mehr ständig überwältigt zu werden, sondern sich selbst besser zu verstehen, Ängste nicht mehr unbewusst abwehren zu müssen, sondern ein gesundes Selbstvertrauen zu gewinnen. Damit muss der Autopilot nicht mehr ständig in Betrieb sein. Auf dem aufbauend können dann Entscheidungen wieder proaktiv getroffen werden.
Mindfulness öffnet darüber hinaus den Raum zur Intuition, die sonst nur schwer zu greifen ist. Und mit der Intuition zeigt sich auch das Gewissen, ein Aspekt, der bei vielen Entscheidungen heute deutlich zu wenig Beachtung findet.
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Das Gewissen bei Entscheidungen einbeziehen
Mit einem achtsamen Blick übersehen Sie die Auswirkungen Ihrer Entscheidungen in der Regel deutlich besser, als ohne Achtsamkeit. Jede Entscheidung hat immer weitreichende Auswirkungen, die einem/einer EntscheidungsträgerIn bewusst sein sollte. Die höchste Instanz ist dabei das Gewissen. Wer heute Entscheidungen trifft, sollte damit auch die Konsequenzen für die Nachkommen, für die Gesellschaft, für die Ökologie berücksichtigen. Wenn bei Entscheidungen jedoch mehr die Gewinn-Maximierung, der Shareholder-Value und die Angst-Abwehr im Vordergrund steht, dann wird meist eine verblendete Entscheidung getroffen. Das kann selbstverständlich niemandem zum Vorwurf gemacht werden, so sind wir alle in der Wirtschaft geprägt und sozialisiert. Aber man kann das beleuchten. Deshalb möchte ich Sie jetzt persönlich fragen:
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Treffen Sie Entscheidungen so, dass Sie sich absichern?
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Was an Ihren Entscheidungen könnte anderen schaden?
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Sind Sie selbstsicher genug, auf dem Entscheidungsweg für Fehltritte offen und ehrlich gerade zu stehen, daraus zu lernen und neue Lösungen zu finden?
Wagen Sie einen Blick auf Ihr eigenes Entscheidungsverhalten und haben Sie den Mut etwas zu ändern, wenn Sie Ihr eigenes Verhalten unangenehm berührt.
Ihr Günther Wagner
PS.: Vielen Dank für Ihr Interesse. Wenn Sie persönlich über zukünftige Beiträge informiert werden wollen, dann melden Sie sich einfach über diesen Link an.
Literaturquellen:
[1] http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/44/entscheidungen-treffen-konsequenzen-angst-intuition. Am 2017-12-05 gelesen.
[2] blog-wagner-consulting.eu/oekonomie-erzwingt-diversity/
[3] http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/44/entscheidungen-treffen-konsequenzen-angst-intuition. Am 2017-12-05 gelesen.
[4] https://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/ich_steh_dazu/. Am 2017-12-05 gelesen.
[5] http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/44/entscheidungen-treffen-konsequenzen-angst-intuition. Am 2017-12-05 gelesen.
[6] http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/44/entscheidungen-treffen-konsequenzen-angst-intuition. Am 2017-12-05 gelesen.
[7] https://berufebilder.de/2016/angst-digitaler-transformation-falsche-glaubenssaetze-besiegen-groessten-innovationskiller/. Am 2017-09-12 gelesen.
[8] http://karrierenews.diepresse.com/home/ratgeber/management/5110557/Dahinter-kommen-gut-gegen-Angst. Am 2017-09-12 gelesen.
[9] http://www.zeit.de/zeit-magazin/2017/44/entscheidungen-treffen-konsequenzen-angst-intuition. Am 2017-12-05 gelesen.
[10] blog-wagner-consulting.eu/wachstum-sichert-Zukunft/.