Harte Zwickmühlen im Management

Harte Zwickmühlen im Management

Zwei Möglichkeiten, wovon keine eine erfolgreiche Lösung bietet, bzw. oft sogar beide Wege unerwünschte Resultate bringen.

Wen retten? Wen opfern?

Das Straßenbahndilemma zeigt sehr deutlich, was mit einer solchen Situation gemeint ist: Eine Straßenbahn ist außer Kontrolle geraten, und droht fünf Personen zu überrollen.[1] [Bildquelle[2]]

Das Straßenbahndilemma - wen retten, wen opfern?

Durch Umstellen einer Weiche kann die Straßenbahn auf ein anderes Gleis umgeleitet werden. Unglücklicherweise befindet sich dort eine weitere Person. Darf (durch Umlegen der Weiche) der Tod einer Person in Kauf genommen werden, um das Leben von fünf Personen zu retten? 

 

Interessante Erklärungsansätze aus der Moralforschung

Das Leben stellt jeden von uns – beruflich und privat – vor Dilemmata-Situationen. Das Dilemma selbst entsteht durch einen Konflikt zweier Werte oder Prinzipien, beispielsweise zwischen Pflicht und Gewissen, zwischen Loyalität und Ehrlichkeit.[3]

Ein Dilemma ist dann gegeben, wenn man in Bezug auf eine Entscheidung gleichzeitig auch vor einem moralischen Problem steht.

AnwältInnen, Ärzte, WissenschaftlerInnen müssen beruflich oft Dilemmata-Situationen meistern. Doch auch Führungskräfte und alle anderen im Wirtschaftskontext Tätigen sind umzingelt von vielen, mit Dilemmata verbundenen moralischen Forderungen. Doch was zeigt sich leider sehr oft: Viele verdrängen die mit den Dilemmata verbundenen Probleme. Sie lenken sich mit etwas Anderem ab und hoffen unbewusst, das Dilemma wird sich schon irgendwie lösen. Lt. Ansicht von Georg Lind, Psychologe und Moralgeschichtenerzähler, unterscheiden sich 3 Typen von MoralistInnen:[4]

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  • Die moralisch Unsensiblen, die sich gar keine moralischen Fragen stellen.

  • Die moralisch Skrupulosen, die hochreflektiert sind und alles ganz genau abwägen.

  • Die größte Gruppe, die sogenannten moralisch Ambivalenten, die in Dilemmata-Situationen sich hin- und hergerissen fühlen.

Lind und der Pionier der Moralforschung, Lawrence Kohlberg, sind der Meinung, dass Moral eine Frage der Bildung sei. Nur jene können sich aus Zwickmühlen befreien, die für sich die Frage nach Gerechtigkeit, Fürsorge und Hilfsbereitschaft intellektuell ausgiebig geklärt haben. Doch genau diese Sichtweise hält der Moralpsychologe Revital Ludewig für problematisch und ebenso fehlgeleitet. Es stimmt eben nicht, dass Moral etwas mit Bildung zu tun hat, denn das würde heißen, dass weniger gebildete Menschen unmoralisch wären. Viele Studien zeigen jedoch, dass auch Menschen mit niedrigem Bildungsniveau moralisch und couragiert handeln.[5]

Klugheit schützt nicht vor Amoral.

Das Geschlecht scheint ebenfalls einen Einfluss auf die moralische Grundhaltung zu haben. Darüber hinaus belegen Ergebnisse der Längsschnittstudie LOGIK, dass die Bereitschaft moralisch zu handeln, weder vom Wertesystem der Eltern noch vom Bildungsniveau abhängen.[6] Damit bestätigt sich auch die Aussage von dem Sozialpsychologen Jonathan Haidt, dass moralisches Handeln maßgeblich von der Intuition beeinflusst zu sein scheint.[7]

Man braucht für moralische Entscheidungen auch Herz.[8]

Intuition[9] macht einfühlsam und obendrein weitblickend, um komplexe Situationen gut zu meistern, eine Grundvoraussetzungen zur erfolgsversprechenden Lösung von Dilemmata im Sinne des 3-Alternativen-Denkens, worauf ich später im Artikel noch eingehen werde. Nach Ansicht von Revital Ludewig tritt ein Dilemma dann in Erscheinung, wenn im Lösungsprozess ein emotionaler Konflikt ausgelöst wird. Es sei nicht entscheidend, ob man ein Dilemma intellektuell gut und umfassend erfassen könne, sondern ob man das Dilemma fühlen kann. Erst durch das Fühlen der Dilemma-Situation kann eine gute Lösung gefunden werden. Zu diesem Ergebnis ist auch der Neuropsychologe Marc Hauser von der Harvard University gelangt.[10] Hinzu kommt noch, die moralischen Probleme ändern sich im Lauf des Lebens.[11]

 

Dilemmata im Management

Die Menge an möglichen Dilemmata-Situationen sind unüberschaubar – im Beruf wie auch Privat. Im vorhergehenden Kapital habe ich versucht aktuelle Forschungseinsichten aufzuzeigen. Oswald Neuberger hat konkret die Dilemmata des Managements bzw. der Führungskräfte in einer Liste zusammenfassend darzustellen versucht, die ich Ihnen genauso weitergebe.[12] Im Anschluss an die von Neuberger aufgestellten Dilemma-Punkte möchte ich Ihnen dann greifbar einen möglichen erfolgsversprechenden Weg aus den Dilemmata aufzeigen.

Oswald Neuberger hat konkret die Dilemmata des Managements bzw. der Führungskräfte in einer Liste zusammenfassend dargestellt

Amoralität beginnt dort, wo buchhalterisch Leben mit Leben verrechnet wird.[13]

Mit dieser Aussage möchte ich den Übergang von den Dilemma-Problemsituationen hin zu den Lösungen dieser aufzeigen. 

 

Dilemmata im 2-Alternativen- oder 3-Alternativen-Denk-Modus

Viele denken in Dilemmata-Situationen im 2-Alternativen-Denk-Modus. Das löst verständlicherweise Konfrontationen aus. Es scheint nur ein Gegeneinander, mein oder dein Vorschlag, zu geben. Diese Art und Weise mit Dilemmata umzugehen, sei es in der Politik und Wissenschaft, in der Wirtschaft, in Familien, aber auch in Extremsituationen wie im Krieg zeigt sich allgegenwärtig. Das ist nicht böse oder dumm gemeint. Diese Art zu denken ist äußerst verführerisch. Mit dem 2-Alternativen-Denken ist das Leben scheinbar leichter und schneller zu verstehen und entsprechend zu managen – und wer will es nicht leichter haben?! Man ist entweder vernünftig oder unvernünftig, großzügig oder egoistisch, für oder gegen einen Führungswechsel, für oder gegen die Auslagerung der Produktionsstätten in Schwemm- oder Entwicklungsländer, für oder gegen Atomkraft, fort mit dem Alten her mit dem Neuen, für oder gegen bestimmte Handelsabkommen, für oder gegen Tierversuche, für oder gegen genmanipulierten Nahrungsmittel, usw.[14]

Die zwei Hörner eines Bullen

Das Dilemma im 2-Alternativen-Denken ist mit den Hörnern eines Bullen zu vergleichen. Der Bulle spießt die im Dilemma Befindlichen auf, egal nach welchem Horn gegriffen wird. Das löst verständlicherweise bei vielen Unsicherheit aus. Manche Menschen neigen dann dazu, das Handtuch zu werfen. Andere stürzen sich auf ein Horn und versuchen mit allen Mitteln, dieses an sich zu ziehen. Doch wer denkt in der Hitze des Gefechts an eine mögliche 3. Alternative?![15]

Genau genommen stecken viele in unechten Dilemmata-Situationen. Eine mögliche 3. Alternative scheint unsichtbar, versteckt hinter dem Bullen zu stehen. Diese 3. Alternative zeigt sich erst, wenn man bereit ist in Kooperationen zu denken, ein Lösen durch ein Miteinander statt gegeneinander anzustreben. Doch damit ist auch nicht die vielerorts so gerühmte Kompromiss-Lösung gemeint. Ein Kompromiss ist oft auch nur eine Verlust-Verlust-Lösung. Mag sein, dass mit einem Kompromiss die Eskalation einer Situation verhindert werden kann, aber von einer wirklich erfolgsversprechenden Lösung kann auch nicht gesprochen werden.[16]

Synergie befreit sich vom Bullen

Das Denken in Synergien und Allianzen kann das 2-Alternativen-Denken überwinden und höchst erfolgreiche Lösungen und Wege aufzeigen. Dafür müssen 4 Punkte berücksichtig werden, die Covey in einer Gegenüberstellung der 2- und 3-Alternativen-Denken veranschaulicht:[17] 

Das Denken in Synergien und Allianzen kann das 2-Alternativen-Denken überwinden

Doch der Weg ist nicht ganz leicht. Denn es braucht Selbstreflexion und Selbstentwicklung, weg vom Egoismus hin zur Wertschätzung anderer Menschen und anderer Ideen. Kollaboration[18], Demut im Management[19], eine positive Fehlerkultur[20] und ebenso die Generation Y[21] versuchen in diesem 3-Alternativen-Denken zu arbeiten. Neben der Fähigkeit zur Kollaboration, Demut und positiven Fehlereinsicht braucht es Courage, um die unsichtbaren Wege wirklich gehen zu können. Doch der Weg im 3-Alternativen-Denken lohnt sich, denn man sucht nicht mehr mühsam nach richtigen Lösungen, sondern nach besseren Antworten.[22]

Synergie entsteht nur, wenn ich mich und dich mit positiven Augen sehe und erkenne, wie es in deinem Kopf und in deinem Herzen aussieht.[23]

Im Synergiemodus versucht man das Spannungsfeld zwischen Egoismus und Solidarität gut in den Griff zu bekommen, und damit Win-Win-Lösungen zu generieren. Der belgisch-französische Film „Zwei Tage, eine Nacht“ zeigt das ewige Dilemma, das genau genommen alle Menschen plagt – privat wie auch beruflich:[24]

  • Was mache ich wann für einen anderen?

  • Was bin ich bereit dafür zu opfern?

  • Wie beeinflussen die Umstände, beispielsweise die moderne Arbeitswelt in einer globalisierten Wirtschaft, meine entsprechenden Entscheidungen?

Es ist ein Balanceakt. Moral und Amoral, Vernunft und Unvernunft, Rationalität und Emotionalität sind jedoch keine Gegensätze, sondern eng miteinander verwoben und benötigen Kooperation, wollen eine Allianz, um die besten Lösungen zu finden.[25]

Ihr Günther Wagner

 

Literatur- und Bildquellen

[1] https://de.wikipedia.org/wiki/Trolley-Problem. Am 2017-05-09 gelesen.
[2] Bildquelle: McGeddon – Eigenes Werk, CC-BY-SA 4.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=52237245.
[3] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/wen_retten_wen_opfern/?tx_ttnews%5BsViewPointer%5D=2. Am 2017-05-09 gelesen.
[4] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/wen_retten_wen_opfern/?tx_ttnews%5BsViewPointer%5D=2. Am 2017-05-09 gelesen.
[5] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/wen_retten_wen_opfern/?tx_ttnews%5BsViewPointer%5D=2. Am 2017-05-09 gelesen.
[6] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/wen_retten_wen_opfern/?tx_ttnews%5BsViewPointer%5D=2. Am 2017-05-09 gelesen.
[7] https://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/intuition_konnen_wir_unserem_bauchgefuehl_vertrauen/. Am 2017-05-09 gelesen.
[8] https://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/intuition_konnen_wir_unserem_bauchgefuehl_vertrauen/. Am 2017-05-09 gelesen.
[9] Näheres zur Intuition im Artikel: Chaos und Komplexität.
[10] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/wen_retten_wen_opfern/?tx_ttnews%5BsViewPointer%5D=2. Am 2017-05-09 gelesen.
[11] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/wen_retten_wen_opfern/?tx_ttnews%5BsViewPointer%5D=2. Am 2017-05-09 gelesen.
[12] Neuberger, Oswald: Führen und führen lassen: Ansätze, Ergebnisse und Kritik der Führungsforschung. 6. Auflage. Stuttgart: Lucius & Lucius Verlagsgesellschaft, 2002. S. 342.
[13] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/wen_retten_wen_opfern/?tx_ttnews%5BsViewPointer%5D=2. Am 2017-05-09 gelesen.
[14] Covey, Stephen R.: Die 3. Alternative. So lösen wir die schwierigsten Probleme des Lebens. 2. Auflage. Gabal Verlag: 2012.
[15] Covey, Stephen R.: Die 3. Alternative. So lösen wir die schwierigsten Probleme des Lebens. 2. Auflage. Gabal Verlag: 2012.
[16] Covey, Stephen R.: Die 3. Alternative. So lösen wir die schwierigsten Probleme des Lebens. 2. Auflage. Gabal Verlag: 2012.
[17] Covey, Stephen R.: Die 3. Alternative. So lösen wir die schwierigsten Probleme des Lebens. 2. Auflage. Gabal Verlag: 2012.
[18] Mehr zum Thema Kollaboration: Erfolgstool Nr. 3 im Management.
[19] Näheres dazu im Artikel: Seid demütig – eine neue Managementstrategie?
[20] 10 Tipps für eine Positive Fehlerkultur: 10 Tipps für eine positive Fehlerkultur.
[21] Mehr zu Generation Y: Die neuen Götter im Management.
[22] Covey, Stephen R.: Die 3. Alternative. So lösen wir die schwierigsten Probleme des Lebens. 2. Auflage. Gabal Verlag: 2012.
[23] Covey, Stephen R.: Die 3. Alternative. So lösen wir die schwierigsten Probleme des Lebens. 2. Auflage. Gabal Verlag: 2012.
[24] https://www.psychologie-heute.de/home/film-und-kritik/filmarchiv/zwei-tage-eine-nacht-filmkritik-aus-psychologischer-sicht/. Am 2017-05-09 gelesen.
[25] https://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/wie_viel_unvernunft_braucht_der_mensch/. Am 2017-05-09 gelesen.

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