Gewinner im Hierarchie-Netzwerk-Krieg
Wie ich den Rückmeldungen und Leseaufzeichnungen meines kürzlich veröffentlichten Beitrages nach dem Zitat von Paul Mason „Es tobt ein Krieg zwischen Netzwerk und Hierarchie“[1] entnehmen konnte, hat diese Aussage einige sehr berührt.
Ein Kampf macht Angst
Es gibt VerliererInnen und GewinnerInnen. Vielleicht spüren Sie als Führungskraft die gegenwärtigen Auseinandersetzungen und nehmen wahr, dass Ihre Macht und Ihr Einfluss an Kraft und Bedeutung verliert.
So hat schon Prof. Dr. Peter Kruse von der Erschütterung der Macht der Führungskräfte gesprochen und davon, dass die Netzwerkstrukturen die Macht übernehmen werden.[2] Selbst Vorstandsmitglieder – wie u.a. Gabriele Sons bei Thyssen-Krupp – sprechen davon, dass die alten Hierarchien ausgedient haben. Man könne nicht mehr an alten Führungsmethoden festhalten.[3] Und auch der US Navy Submarine Captain David Marquet weiß aus eigener Erfahrung, dass in hoch komplexen Zeiten das hierarchische Führungsmodell scheitert und propagiert für einen umfassenden Change im Management.[4] read more Woran liegt es? Was können Sie aktuell als Führungskraft tun, um Ihre Einflusskraft nicht zu verlieren bzw. in geänderter Weise sicherzustellen? Bereits im Artikel „Erschütterung der Macht“ habe ich 3 große Problembereiche der Führung im 21. Jhdt. angeführt:[5] 1. Komplexitätsfalle: Die Globalisierung und Digitalisierung erschwert in enormer Tragweite die Vorhersagbarkeit von Märkten. Damit wird die Führungslegitimation in Frage gestellt. 2. Machtverschiebung: Netze übernehmen die Macht. Die Führung im klassischen Sinne verliert an Durchsetzungskraft. 3. Identitätsfrage: Auch hier sind die Netzwerkstrukturen an der Macht. Diese verschaffen neue sinnstiftende Zugehörigkeiten, die weit stärker wirken als die Zugehörigkeit zu einem Unternehmen. Was das für die Führung in Unternehmen heißt, das können Sie erahnen. Das Problem mit der Hierarchie ist jedoch kein neues Problem. Bereits vor gut 40 Jahren kam die Hierarchie unter Beschuss. Damals forderte man eine industrielle Demokratie und Humanisierung des Arbeitslebens. Doch die Eliten und das Management hatten noch genug alten Rückenwind, um diese Forderungen und die damit zusammenhängenden Veränderungen im Keim zu ersticken.[6] Mit einigen Ausnahmen, wie beispielsweise bei dem legendären Motoradhersteller Harley-Davidson. Dort konnte der CEO Rich Teerlink durch einen umfassenden Kultur- und Führungswandel das Unternehmen meisterhaft aus einer Krise ziehen.[7] Neben einigen VorreiterInnen in Sachen neuer Führungskultur hat sich in Bezug auf das Führungsverständnis und Führungsverhalten bei vielen anderen Unternehmen jedoch kaum etwas geändert. Aber mit der immer stärker werdenden und alles umfassenden Digitalisierung wird das Management nun wirklich richtig gebeutelt. Die mit den digitalen Kräften wirksamen Erneuerungsforderungen sind wie ein Wirbelsturm, der alles durchdringt. Diese Kraft negieren, würde früher oder später das Ende einiger Unternehmungen bedeuten. Gabriele Sons von Thyssen-Krupp spricht davon, dass sich die Anforderungsprofile stark verändern, und die digital qualifizierten Fachkräfte definitiv die besseren Karten haben. Man müsse die Ängste und Bedenken des Managements in positive Energie umlenken, sprich Courage zeigen und das Führungsverständnis und Führungsverhalten neu definieren. Damit könne man in der digitalen Welt eine Vorreiterrolle übernehmen, und den Erfolg des Unternehmens sicherstellen. Verantwortung teilen, Selbstverantwortung übernehmen, persönliche Werte stärken und lebenslanges Lernen, sprich Selbstentwicklung unternehmen, sind ihrer Meinung nach die Erfolgspfeiler der Zukunft.[8] Diese Punkte sind situations- und zeitunabhängig. Rich Teerlink hat, wie auch der US Navy Submarine Captain David Marquet, ähnliches eingesehen: Wir alle sind hier um zu lernen. Richtige Antworten gibt es nicht. Er selbst als Führungskraft muss wie seine MitarbeiterInnen auch, an sich und seinen Kompetenzen und Fähigkeiten arbeiten.[9] Rich Teerlink musste als CEO lernen, seine eigene traditionelle Vorstellung von einem Manager loszulassen. Oft hat er sich für die integrative Führung engagiert, aber verstieß noch während seiner Predigten selbst dagegen. Rich hat gelernt, seine eigenen Erwartungen an MitarbeiterInnen loszulassen, und stattdessen die Erwartungen der MitarbeiterInnen in den Mittelpunkt zu stellen. Die Führungskräfte vergessen zu schnell die Bedürfnisse der MitarbeiterInnen, und achten nur auf ihre eigenen. Narzisstische Züge von Führungskräften werden auch von Laurence Vanhee als Bremse für jede notwendige Weiterentwicklung gesehen. Geld spielt auch nicht mehr die größte Rolle. Viele Menschen suchen einen Sinn in der Arbeit, und wünschen sich mehr Respekt und Verbundenheit. Rich Teerlink hat bereits vor mehr als 35 Jahren mit Erfolg beweisen können, dass der Ansatz der New-Work-Bewegung tatsächlich Sinn macht, um Unternehmen in steigender Komplexität wieder auf einen Erfolgskurs zu führen. Doch er hat einen relevanten Schritt dabei vergessen: Kulturwächter zu integrieren. Sobald Rich Teerlink Harley-Davidson verlassen hatte, ist die von ihm neu aufgesetzte Unternehmenskultur in die alte bürokratisch-hierarchische Form zurück gerutscht. Capitän Marquet hat sich wie Teerlink als Führungskraft ebenfalls neu definiert, um erfolgreich zu bleiben bzw. seinen Erfolg auszubauen:[10] Er hat seine Besatzung ermutigt, selbst Entscheidungen zu treffen, und dass Potential jedes einzelnen Besatzungsmitglieds entsprechend gefördert. Er hat sich als Kommunikator verstanden, und die Bedingungen für Selbststeuerung geschaffen. Er hat eine Grundlage geschaffen, in der seine Besatzung günstige Erfahrungen machen konnte. Er hat in Augenhöhe geführt und erlebbar werden lassen was es heißt, gemeinsam Ideen zu entwickeln und Verantwortung zu tragen. Die große Herausforderung für das Management von heute heißt: Digitalisierung und die damit ausufernde Komplexität meistern. Dabei sollten wir zu aller erst einsehen, dass wir nicht bloß Opfer der Digitalisierung sind, sondern auch NutznießerInnen – jeder von uns, auch Sie als Führungskraft. Die Digitalisierung und die VUKA-Welt vermehrt in kaum vorstellbarer Weise unsere Wahlmöglichkeiten, unser Wissen, den technologischen und kulturellen Fortschritt. Wir sind gleichzeitig GewinnerInnen und VerliererInnen – abhängig davon wie wir und Sie als Führungskraft das unglaubliche Potential der neuen Welt aktiv zu nutzen wagen. Das heißt konkret, nicht mehr neue Methoden im Management einsetzen, sondern das Alte gehen lassen. Mit dem Alten ist gemeint, altes Führungsverständnis bzw. alte Vorstellungen davon, was Sie als Führungskraft tun und nach außen hin vorgeben zu sein. Das Alte muss gehen, damit Platz für das Neue Platz geschaffen werden kann – ähnlich wie Teerlink und Marquet es erfolgreich umgesetzt haben:[11] Was Sie konkret als Führungskraft zu aller erst loslassen sollten ist die Vorstellung, dass Sie die Fäden ziehen und alles kontrolliert abarbeiten können. Was Sie für sich zu aller erst lernen dürfen ist, Kontrolle abgeben und die allgegenwärtige Selbstorganisation der Unternehmen zum Zug kommen zu lassen. Diese selbst organisierenden Prozesse sind immer gegenwärtig – man mag es kaum glauben, aber es ist so. Wagen Sie es mit kreativen RegelbrecherInnen zusammenzuarbeiten, um gemeinsam mit diesen Ihre Gewohnheiten und auch die der anderen aus den Komfortzonen zu holen, und ungewohnte Verbindungen und neue Muster zu schaffen. Anhand einer dritten herausragenden Führungspersönlichkeit, General Stanley McChrystal, langjährig tätig in der Anti-Terror-Abwehr und heute Berater von großen Unternehmen in Führungsfragen, möchte ich Ihnen zusammenfassend nochmals die relevanten Aspekte einer erfolgreichen neuen Unternehmenskultur näherbringen. Mit diesen Beispielen versuche ich Ihnen zu zeigen, dass dieses neue Führungsmodell tatsächlich schon mehrfach erfolgreich zur Anwendung gekommen ist. Das was daraus entstehen kann, ist nicht gleich die neue Organisationsstruktur, aber ein Schritt hin zu einer veränderten Kultur, die leichtfüßiger die Herausforderungen der Zeit zu meistern fähig ist.[12] Die Erfolgsgeschichte von McChrystal ist meiner Meinung nach wirklich beeindruckend. McChrystal war für 150 000 Soldaten verantwortlich. Bis zu dem Tag als er mit Al-Qaida in Kontakt kam, hat er in gewohnter Weise im Top-Down-Ansatz seine Leute geführt. Aber Al-Qaida forderte ihn heraus. Diese Gruppe hatte keine Hierarchie, gab keine Befehle von oben an die Basis, hielt keine Treffen ab, war jedoch sehr stark vernetzt, und damit äußerst flexibel, anpassungsfähig und immer einen Schritt voraus.[13] In erschreckender Ähnlichkeit verhält es sich heute im Business. Man hat mit vielen unbekannten WidersacherInnen zu tun. Die NewcomerInnen bringen das alte Gefüge durcheinander, weil deren Geschäftsmodelle oft auf radikaler Offenheit beruhen. Das macht diese sehr wendig, flexibel und schnell. Die gewohnten Top-Down-Prozesse, insbesondere in großen Unternehmen haben das Nachsehen. So hat General McChrystal, angepasst an die Herausforderungen der Zeit, ähnlich wie Capitän David Marquet und Rich Teerlink, CEO von Harley-Davidson, sein Führungsverständnis und seine Führungsaufgaben ganz neu definiert – mit großem Erfolg:[14] Statt Informationen nach Oben und die Befehle nach unten zu schicken, wird das Wissen in die Breite gestreut – jeder weiß alles, jeder redet mit jedem – ähnlich Facebook & Co. So sehr diese Social-Media-Plattformen umstritten sind, der Austausch von Informationen läuft dort schnell und breit verstreut ab. MitarbeiterInnen übernehmen eigenständig Verantwortung und treffen eigenständig Entscheidungen. Es werden Teams mit maximal 150 Menschen gebildet, die sich selbstständig organisieren. Das heißt, die MitarbeiterInnen suchen ihre Arbeit selbst aus, übernehmen dafür Verantwortung und organisieren sich selbstständig. Alle TeammitgliederInnen kennen sich persönlich. Des Weiteren wird ein Team aus mehreren Teams geschaffen, um die positiven Effekte über viele Gruppen hinweg sicher zu stellen. Das kann jedoch nur durch eine vernetzte Informationstechnik gewährleistet werden, wie bereits im ersten Punkt erwähnt wurde. Um ein Team von Teams anzuführen, sollte die Führungspersönlichkeit sich als Moderator sehen, der die Gespräche anleitet und den MitarbeiterInnen vertraut. Die Führungskraft ist kein/e BefehlsgeberIn nach unten mehr. Das zu verstehen und entsprechend danach zu handeln ist für viele Führungskräfte die große Herausforderung. Als Führungskraft der neuen Zeit sollte man auch Verantwortung für Dinge übernehmen können, die man nicht kontrollieren kann bzw. die durch die Selbstorganisation ausgelöst werden. Hier muss einen bewusst sein, dass man nicht nur Kritik für Fehler erntet, sondern auch Lob und Anerkennung für Dinge bekommt, für die man eigentlich gar nichts getan hat, die in der Selbstorganisation entstanden sind. Die Reihe an Publikationen in Bezug auf den notwendigen Wandel im Management ist kaum noch zu überblicken. Ich habe anhand von 3 verschiedenen Führungspersönlichkeiten versucht darzustellen, dass deren Entscheidung ihr Führungsverhalten neu zu definieren, ihren Erfolg enorm gesteigert hat. Zusammenfassend kann gesagt werden, dass in Zeiten der Digitalisierung, Globalisierung und Schwarzen Schwänen es von Seiten der Führung 2 grundlegend neue Führungseinsichten braucht:[15] Sich selbst als Führungskraft zurücknehmen, die MitarbeiterInnen respektieren und in diese vertrauen. Freiräume und Transparenz zulassen, um die Selbstorganisation und die darin schlummernde Innovation und Kreativität zum Leben zu erwecken. Dieser Artikel von mir, mit den darin enthaltenen Aussagen ist sicher keine leichte Kost. Vielleicht fühlen sich einige von Ihnen jetzt überfordert bzw. in Bezug auf ihre Tätigkeit nicht Wert geschätzt. Das kann ich gut verstehen. Doch der Zahn der Zeit zieht, und ich wünsche Ihnen als Führungskraft, dass Sie die Herausforderungen in Ihrem Beruf exzellent meistern. Manchmal braucht es dafür jedoch einen kleinen Anstoß – beispielsweise von mir. Ihr Günther Wagner Literaturquellen: [1] Frei, Felix: Hierarchie. Das Ende eines Erfolgsrezeptes. Pabst Science Publishers: 2016. Deutschland. S. 179. reduce text
Ein Wirbelwind zieht auf
Freiheit versus Technokratischem Führungsstil
NutznießerInnen der Digitalisierung – Sie selbst
[2] Siehe Artikel „Erschütterung der Macht“ https://blog-wagner-consulting.eu/erschuetterung-der-macht/.
[3] Sons, Gabriele: Alte Hierarchien haben ausgedient. Die Digitalisierung braucht eine neue Unternehmenskultur. Handelsblatt Nr. 48: 8. März 2017.
[4] Siehe Artikel Irrtümer und Komplexitätsfallen in der Führung https://blog-wagner-consulting.eu/irrtuemer-und-komplexitaetsfallen/.
[5] Siehe Artikel „Erschütterung der Macht“ https://blog-wagner-consulting.eu/erschuetterung-der-macht/.
[6] Frei, Felix: Hierarchie. Das Ende eines Erfolgsrezeptes. Pabst Science Publishers: 2016. Deutschland. S. 179.
[7] Siehe Artikel „Die neue Freiheit im Leadership“ https://blog-wagner-consulting.eu/die-neue-freiheit-im-leadership/.
[8] Sons, Gabriele: Alte Hierarchien haben ausgedient. Die Digitalisierung braucht eine neue Unternehmenskultur. Handelsblatt Nr. 48: 8. März 2017.
[9] Siehe Artikel „Die neue Freiheit im Leadership“ https://blog-wagner-consulting.eu/die-neue-freiheit-im-leadership/.
[10] Siehe Artikel „Die neue Freiheit im Leadership“ https://blog-wagner-consulting.eu/die-neue-freiheit-im-leadership/.
[11] Offermanns, Michael: Mehr Selbstorganisation für eine digitalisierte Welt – ein Plädoyer. https://cidpartners.de/mehr-selbstorganisation-fuer-eine-digitalisierte-welt-ein-plaedoyer/. Am 2017-03-14 gelesen.
[12] Offermanns, Michael: Mehr Selbstorganisation für eine digitalisierte Welt – ein Plädoyer. https://cidpartners.de/mehr-selbstorganisation-fuer-eine-digitalisierte-welt-ein-plaedoyer/. Am 2017-03-14 gelesen.
[13] https://www.brandeins.de/archiv/2017/offenheit/stanley-mcchrystal-interview-jeder-redet-mit-jedem/. Am 2017-03-14 gelesen.
[14] https://www.brandeins.de/archiv/2017/offenheit/stanley-mcchrystal-interview-jeder-redet-mit-jedem/. Am 2017-03-14 gelesen.
[15] Siehe Artikel „Die neue Freiheit im Leadership“ https://blog-wagner-consulting.eu/die-neue-freiheit-im-leadership/.