Irrtümer und Komplexitätsfallen in der Führung

Irrtümer und Komplexitätsfallen in der Führung

Die Schuldzuweisungen werden hin und her geworfen. Die Verantwortlichen bauen Schutzmauern auf, was verständlich und nachvollziehbar ist, und die Lösungen bleiben auf der Strecke.

  • Ja, es werden von den Führungskräften Fehler gemacht.

  • Ja, es werden unkluge Entscheidungen getroffen, und

  • Ja, das ist menschlich und braucht Verständnis.

Versuchen wir einmal nicht die Verantwortlichen mit Schuldzuweisungen zu attackieren, sondern einzusehen, dass Führungskräfte Menschen sind, und als Menschen Irrtümern und Gewohnheiten erliegen. Als Mensch tun wir uns alle schwer, aus vorgefassten Meinungen und gewohnten Verhaltensmustern auszubrechen. Das geht jedem so – vielleicht mit einigen Ausnahmen.

 

Es stimmt, dass es kompetentere Führungskräfte braucht. Doch was heißt das konkret, ohne gleich wieder eine Schuldzuweisung loszutreten?

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Wie soll eine Führungskraft, die über 20ig Jahre hinweg entsprechend der damals vorgegebenen effizienten und konform zu verlaufenden Unternehmenskultur gehandelt hat, plötzlich eine empathische und kreative Führungspersönlichkeit werden?[1]

Psychologisch gesehen ist das gar nicht möglich. Eine Führungskraft kann nicht einfach so über Nacht festgefahrene Gedankenkonstrukte und gewohnte Verhaltensweisen ändern. Führungskräfte sind eben auch nur Menschen und keine Maschinen. So beißt sich die Katze in den Schwanz. Die MitarbeiterInnen fühlen sich wie Maschinen behandelt, und gleichzeitig soll eine Führungskraft wie eine Maschine auf Knopfdruck ihr eigenes Verhalten ändern. 

 

Hier sollte der erste Schritt hin zu einer verständnisvollen Lösung gesetzt werden. Jeder muss bei sich selbst beginnen, MitarbeiterInnen genauso wie Führungskräfte, und sich die Fragen stellen:[2]

  • Was ist mein Menschen- und Weltbild?

  • Wie kommuniziere ich mit den anderen?

  • Was sind meine Vorstellungen darüber, wie die eigene Arbeit verrichtet werden soll?

  • Was für andere Möglichkeiten gäbe es noch, die Arbeit zu verrichten? 

 

Die Erfolgsgeschichte von dem US Navy Submarine Captain David Marquet bringt es auf den Punkt:

Capitän David Marquet befehligte viele Jahre lang seine Crew im klassischen Verständnis von Führung – bis zu dem Tag an dem er auf das Atom-U-Boot Santa Fe geholt wurde. Dort hat er sein Führungsverhalten von Grund auf verändert, weil er bei einem Befehl bemerkte, dass er das U-Boot mitsamt der gesamten Besatzung, einschließlich sich selbst in höchste Gefahr brachte. Er hatte sich eingestanden, dass der Fehler nicht an seinem möglicherweise schlechten Befehl lag, sondern daran, dass er überhaupt Befehle gab, und seine Besatzung bloß als BefehlsausführerInnen sah. Anstatt Befehle zu geben, begann er Fragen zu stellen. Dafür musste er sein gesamtes, jahrzehntelang eingeübtes und gewohntes Führungs- und entsprechende Kommunikationsverhalten und Kommunikationsverständnis in neuer Weise begreifen, und entsprechend adaptieren.[3] Das braucht Selbsterkenntnis.

 

Genau an dem Punkt startet das Veränderungsmanagement, mit der Einsicht der Führungskräfte, dass sie nicht länger als Chef, sondern als Führungspersönlichkeiten ihre Arbeit verrichten können.

 

Bei vielen liegt in Bezug auf das Konzept Führung ein Missverständnis vor. Viele Führungskräfte meinen Führung heißt: Anweisungen und Befehle geben und darüber wachen, dass diese befolgt werden, und im Anschluss die Ausführung bewerten.[4] Das ist verständlich, so haben es die meisten gelehrt und vorgelebt bekommen. Nur wenige Führungskräfte haben eine andere Art der Führung kennengelernt, eine mit Fokus auf den/die MitarbeiterIn und nicht auf die Aufgabe selbst, die erledigt werden muss.

  • Wer als Führungskraft konnte leibhaftig bei einer anderen Führungskraft miterleben dürfen, was es heißt einen Raum zu schaffen, indem sich die MitarbeiterInnen entfalten können?

  • Wer von den Führungskräften hat es gewagt, jede(n) MitarbeiterIn als potenzielle Führungskraft zu verstehen, sprich die MitarbeiterInnen dahingehend zu fördern, dass diese ihr volles Potential entdecken, entwickeln und reifen lassen können?

Vermutlich nur sehr wenige. Auch hier soll nicht eine Schuldzuweisungsspirale in Gang gesetzt werden, sondern auf die Einsicht appelliert werden, dass wir alle gemeinsam, Führungskräfte wie auch MitarbeiterInnen die Verantwortung tragen. In diesem neuen Verständnis von Führung liegt die Zukunft der Unternehmen und der erfolgreiche Umgang mit der Komplexität.[5] Denn die Komplexität kann nur mit der Ressource Mensch, gebündelt in interdisziplinären Teams, gemeistert werden. 

 

Und wieder ein Punkt, an dem wir einem Irrtum erliegen. So meinen viele, dass in Zeiten der Digitalisierung die Maschinen viele Arbeiten erledigen, und der Mensch überflüssig wird. Eine Untersuchung der Beratungsgesellschaft Korn Ferry verdeutlicht, dass 40 Prozent der ManagerInnen aufgrund des Drucks der AktionärInnen, MitarbeiterInnen durch Maschinen ersetzen sollten. 64 Prozent der Führungskräfte sehen ihre MitarbeiterInnen bloß als Kostenfaktor und nicht als Vermögenswert, und 67 Prozent der ManagerInnen sind davon überzeugt, dass Technologie in Zukunft mehr Ertrag bringen würde als das Humankapital.[6]

Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Fixierung auf intelligente Computerprogramme und Maschinen birgt ein großes Risiko – für die Gesellschaft und die Unternehmen selbst.[7] Durch die Digitalisierung und Globalisierung erhöht sich die Komplexität. Und um mit dieser Komplexität, bewegt durch die Digitalisierung und Globalisierung, mithalten zu können, braucht es Kreativität. Und genau dort endet die Kompetenz der Technik. Computer und künstliche Intelligenzen sind im Umgang mit Komplexitäten nur beschränkt lösungsfähig.

Genau an dem Punkt ist der Mensch und das kreative Potential der Menschen gefragt.[8] Aus diesem Blickwinkel betrachtet, hat Capitän Marquet intuitiv den richtigen Schritt gesetzt:[9]

  • Er hat seine Besatzung ermutigt, selbst Entscheidungen zu treffen, und dass Potential jedes einzelnen Besatzungsmitglieds entsprechend gefördert.

  • Er hat sich als Kommunikator verstanden, und die Bedingungen für Selbststeuerung geschaffen.

  • Er hat eine Grundlage geschaffen, in der seine Besatzung günstige Erfahrungen machen konnte.

  • Er hat in Augenhöhe geführt und erlebbar werden lassen was es heißt, gemeinsam Ideen zu entwickeln und Verantwortung zu tragen. 

 

Jetzt stellt sich jedoch die Frage, in welcher Weise können sowohl die Führungskräfte wie auch MitarbeiterInnen motiviert werden, um sich auf eine neue Führungskultur einzulassen?

Wie wir wissen, ist jede Verhaltensänderung äußerst schwer umzusetzen. Die Macht der Gewohnheit lässt sich nicht einfach so auf ein neues Abenteuer ein. Es beginnt wieder bei jedem selbst, bei einer intrinsischen, sinnstiftenden Motivation, mit dem Embodiment-Bewusstsein und der persönlichen Entscheidung, sich auf den Transition-Prozess einzulassen.

Im Prozess selbst kann man dahingehend sensibilisiert werden, Denk- und Gewohnheitsmuster bewusst zu erkennen, zu akzeptieren und in Folge Neugierde aufbauen für neue Handlungsvariationen. Das heißt u.a.:

  • Ablenkungen verringern

  • Irreführende Vereinfachungen und Banalisierungen aufspüren

  • Viele Fragen stellen

  • Konditionierungen aufdecken

  • Emotionale Befindlichkeiten und Egotriebe, z.B. Maßlosigkeit, Über-Mut, … wahrnehmen

  • Widerstände zulassen

  • Auf Überraschungen einstellen

  • Design Thinking for Leadership

Und dann braucht es vertrauensstärkende Maßnahmen, sprich die neuen Denk- und Verhaltensweisen müssen gemeinsam von den MitarbeiterInnen und den Führungskräften im Alltag erleb- und spürbar gemacht werden. 

Klingt irgendwie plausibel und machbar. Vielleicht werden Sie jetzt sogar das Gefühl haben, dass Sie das ohnehin schon versuchen.

 

Doch genau an diesem Punkt erliegen wir wiederum einem menschlichem Irrtum. Unsere gewohnten Denk- und Handlungsmuster sind meist so stark und wehren sich so massiv gegen neue Denk- und Handlungsmöglichkeiten, so dass diese bald im Sand verlaufen. Das läuft unbewusst ab, zeigt sich unter Umständen in „Ja, aber …-Sätzen“. Wenn wir mit Ja, aber … beginnen, dann können wir davon ausgehen, dass die Macht der Gewohnheit ein Veto einlegt.

 

Beginnen wir an dem Punkt, wo Krisen noch nicht voll zugeschlagen haben, sich jedoch schon langsam ankündigen. In dem Stadium zeigt sich, dass man …:

  • Krisen- bzw. Herausforderungssignale ignoriert oder verharmlost

  • so tut, als ob man alles im Griff hat

  • zur Selbstüberschätzung neigt

  • sich dem Herdentrieb anschließt, um nicht aufzufallen 

Zeigt sich dann irgendwann die Krise im vollen Ausmaß, neigen noch immer viele dazu verbissen an Altbewährtem festzuhalten. Verständlich, weil viele in dem Moment in einen Schockzustand verfallen – rational, emotional und körperlich. In dem Zustand sind wir nicht handlungsfähig, auch wenn viele weiterhin so tun als ob das gehen würde. Die Selbstüberschätzung als Gewohnheitsmuster lässt sich selbst in der Krise nicht dazu bewegen, die Situation neu zu überdenken. Im Gegenteil, die Macht der Gewohnheit ist in Krisen ganz besonders stark.

Die Gewohnheit scheitert lieber nach Plan, als mit ungewöhnlichen Lösungen Erfolg zu haben.

Das ist alles ist zutiefst menschlich. So gesehen macht es keinen Sinn mit Schuldzuweisungen um sich zu schmeißen. Es macht jedoch Sinn, alle, MitarbeiterInnen, Führungskräfte, … auf die wunden bzw. riskanten Punkte in sich selbst hinzuweisen.

Deshalb ist es so unglaublich wichtig einzusehen, dass wir alle Menschen sind mit unterschiedlichsten, nicht vergleichbaren Erfahrungen und Talenten, und den damit verbundenen, individuellen emotionalen Befindlichkeiten und Egotrieben. Gleichzeitig verbindet uns alle, abhängig von dem jeweiligen Kulturkreis in dem man aufwächst, eine gemeinsame, tiefgreifende Konditionierung und Sozialisierung.

Es braucht einen Brückenschlag, eine tragfähige Verbindung von alten Denkgewohnheiten zu Arbeits- und Führungsweisen mit neuen, offenen Handlungsvariationen.

Das ist mein Bild, meine Erfahrung und Beobachtung davon, komplexe Herausforderungen und Risiken respektvoll und erfolgsversprechend zu meistern. Aus dem heraus haben wir von Wagner Consulting einen tiefgreifenden Prozess aufgesetzt, mit den Zielen:

  • Die veralteten Managementstrukturen und Arbeitsweisen in neue Handlungsspielräume überführen.

  • Die Rahmenbedingungen für tragfähige Innovationen verbessern.

  • Die Komplexität leibhaftig verstehen, und aus diesem Verständnis heraus reduzieren.

Zum Abschluss möchte ich Ihnen noch einmal zusammengefasst in einer Grafik, die Krisen bzw. Herausforderungen, deren aktuellen Ursachen und einige Lösungsansätze darstellen.

 

Es braucht einen Brückenschlag, eine tragfähige Verbindung von alten Denkgewohnheiten zu Arbeits- und Führungsweisen mit neuen, offenen Handlungsvariationen.

 

Ich möchte Sie dazu einladen, dass jeder, Führungskräfte wie auch MitarbeiterInnen gemeinsam in Respekt füreinander, die Ursachen der Krisen zu bewältigen versuchen und neue kreative Wege gemeinsam zu gehen wagt, um die Krisen in Chancen zu transformieren.

Ihr Günther Wagner

 

Literaturquellen:

[1] Schäfer, Dorothee: https://cmc.wfb-bremen.de/digitalisierung-industrie-40/digital-leadership-fuehrung-in-der-digitalisierung/. Gelesen am: 2017-01-25
[2] ebd.: Schäfer, Dorothee
[3] David Marquet im Gespräch mit Heiko Fischer: http://ingahoeltmann.de/leadership-unter-wasser/. Gelesen am 2017-01-25.
[4] Höltmann, Inga: http://ingahoeltmann.de/ein-chef-ist-keine-fuehrungskraft/. Gelesen am 2017-01-25
[5] ebd.: Höltmann, Inga
[6] Eckert, Daniel; Zschäpitz, Holger: https://www.welt.de/wirtschaft/article161335580/Top-Manager-schaetzen-Menschen-geringer-als-Maschinen.html. Gelesehen am 2017-01-25
[7] ebd.: Eckert, Daniel; Zschäpitz, Holger
[8] Schäfer, Dorothee: https://cmc.wfb-bremen.de/digitalisierung-industrie-40/digital-leadership-fuehrung-in-der-digitalisierung/. Gelesen am: 2017-01-25
[9] ebd.: Schäfer, Dorothee

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