Macht verändert das Verhalten – von jedem
Kennen Sie den Roman „Der Herr der Ringe“, die atemberaubende Geschichte um Macht und den Kampf gegen die Verführungen der Macht? Diese Geschichte zeigt erschreckend gut, was die Forschung heute ebenfalls feststellt:[1]
Macht verändert die Psyche und damit die Persönlichkeit.
Als Einstieg in dieses Thema möchte ich Ihnen in wenigen Sätzen die Erzählung über Macht, und die Wirkung von Macht widergeben:
Im Roman „Herr der Ringe“ hat Frodo, der Hobbit die negativ wirksamen Verführungen der Macht durch den Ring am eigenen Leib erfahren. Sein ursprünglich sozial positives Verhalten, seine Tugenden haben sich mit dem Besitz des Ringes verändert. Er selbst hat dies gar nicht gemerkt. Fesselnd erzählt Reuel Tolkien, wie Frodo durch den Ring der Macht beeinflusst wurde, wie die Macht in seinen Händen seine Gedanken, seine Gefühle, seine Ziele verdreht hat. Nur mit Hilfe und viel Courage seiner Freunde und anderer Wesen konnte Frodo der Macht widerstehen.
Michael Schmitz, langjähriger politischer Journalist und heute Managementberater, hat ähnliche Erfahrungen gemacht, als er mächtige Personen aus nächster Nähe erlebte:[2] read more Je länger Mächtige Macht ausüben, umso selbstverständlicher erscheint sie ihnen und umso gedankenloser nutzen sie die Vorteile und Privilegien, die ihnen Macht gewährt. Schmitz und viele Forscherinnen, wie u.a. Fast und Robertson, können das ebenfalls belegen. Wenn es tatsächlich stimmt, dass Macht die Psyche und die Persönlichkeit verändert, dann sollte das doch jedem, der in irgendeiner Weise andere führt, sprich Macht über andere hat, aufhorchen lassen? Dacher Keltner, Psychologe an der University of California in Berkley, sagt: Wir alle sind Opfer des Macht-Paradoxes.[3] Niemand ist davon verschont. Es kann selbst jene treffen, die ursprünglich mit besten Wissen und Gewissen ihre Machtposition nutzen wollten. Macht und Machtmissbrauch liegen eng beieinander.[4] Im Folgenden möchte ich Sie einladen die Wirkungsmechanismen der Macht unter die Lupe zu nehmen. Wie gesagt, es wird viel von Macht gesprochen und viel geurteilt. Doch Verurteilungen ändern nichts an der Tatsache, dass Macht alle Beteiligten verändert. Es braucht ein tieferes Verständnis für die Wirkungsmechanismen der Macht, um die Verführungen und Fallen der Macht leichter zu erkennen. Wir müssen neue Wege finden, um die positiven Aspekte besser zu nutzen, und die Negativen besser im Griff zu haben. Macht hat zuerst einmal positive Aspekte. Beispielsweise nehmen mit einem Ansteigen von Macht strategisches und abstraktes Denken zu. Die Motivation und die allgemeine Stimmung erhöht sich und die Angst reduziert sich. Macht hat damit eine antidepressive Wirkung für die Mächtigen. Zusammenfassend zu den positiven Seiten der Macht kann gesagt werden:[5] Macht macht die Mächtigen klüger, ehrgeiziger, konzentrierter und mutiger. Macht aktiviert ähnliche Hirnareale wie Drogen und Sex. Ian Robertson, Neurowissenschaftler und Klinischer Psychologe am Trinity College in Dublin hat erforscht, wie Macht die Hirnbiologie verändert. Beispielsweise erhöht Macht den Testosteronspiegel, was zu einer vermehrten Aufnahme des Neurotransmitters Dopamin führt, was u.a. das Belohnungszentrum aktiviert. Als Folge steigt die Laune, die Innovationskraft, der Mut, aber auch die Selbstbezogenheit und andere nicht immer nur vorteilhafte Persönlichkeitsaspekte.[6] An diesem Punkt kann vermutlich jeder und jede zugeben, dass die mit der Macht einhergehenden positiven Aspekte und die steigende Motivation willkommen sind. Gleichzeitig, mit dem Anstieg der Lust und Laune, greifen schleichend und kaum wahrnehmbar die negativen Aspekte der Macht. Niemand kann sich davon freihalten. Nur mit viel Reflexion, viel Wissen über die Wirkungsmechanismen der Macht und der Annahme von Feedback von außen können die positiven Aspekte der Macht weiterhin genutzt, und die negativen Seiten in Schach gehalten werden. Die Schattenseite der Macht nimmt schleichend Besitz von den Mächtigen. Irgendwann wird die mit der steigenden Macht einhergehenden Verhaltensänderung jedoch deutlicher, zeigt sich beispielsweise in Willkür, Unterdrückung, Gewalt, Erniedrigung. Zahlreiche Studien belegen das leider so, u.a. ein Experiment an der Universität Oxford 2012. Die Studienleiterin Riam Kanso vom Oxforder Brain & Cognition Laboratory konnte zeigen:[7] Macht untergräbt die ausbalancierte Zusammenarbeit mit den Untergebenen. Das belegen darüber hinaus zahllose Fälle von Selbstbereicherung und Korruption in Politik, Wirtschaft und Gesellschaft. Eine frühere Studie von dem Psychologen Adam Galinsky musste feststellen:[8] Macht reduziert die Fähigkeit zur Empathie, die Fähigkeit sich in andere Menschen und ihre Perspektiven hineinversetzen zu können. Abgesehen davon kümmert es viele Mächtige erschreckend wenig, was ihre Mitmenschen über sie denken. Eine erhöhte Machtposition verleitet die Mächtigen zum Danebenbenehmen, wovon es ebenfalls genügend Beispiele gibt. Doch man kann nicht davon ausgehen, dass die negativen Aspekte nur bei bereits auffallenden oder schwachen Persönlichkeiten vorzufinden sind. Leider zeigen Studien, u.a. die von Oxford 2012, dass selbst Menschen mit normalen Persönlichkeitsmerkmalen bei Anstieg ihrer Machtkompetenz zu negativen Veränderungen in ihrem Verhalten neigten. So scheint es, dass ein Zuwachs von Macht das Gehirn aus dem Gleichgewicht zu bringen scheint. Ein Team um Nathanael Fast von der University of Southern California hat festgestellt:[9] Mächtige, die sich ihrer Macht sehr bewusst waren und sich gleichzeitig kompetent fühlten, neigten auffallend oft zu übertriebenen selbstsicheren Entscheidungen – selbst dann, wenn diese falsch und mit finanziellen Einbußen verbunden waren. In Bezug auf Macht konnte Fast noch einen entscheidenden Aspekt aufdecken, nämlich dass der Status in Zusammenhang mit Machtmissbrauch ebenfalls eine Rolle spielt. Es zeigte sich, dass jene, denen man Macht gab, ohne sie mit einem hohen sozialen Status zu verbinden, deutlich stärker dazu neigten, andere zu erniedrigen, als Mächtige, die einen hohen Status genießen durften. Doch der bedrohlichste Aspekt von Macht ist die Aggression. Damit hat sich ebenfalls Fast, gemeinsam mit Serena Chen von der University of California in Berkeley auseinandergesetzt:[10] Am aggressivsten agieren die inkompetenten Mächtigen. Chefs scheinen vor allem dann zum Tyrannen zu werden, wenn sie sich ihrer Position nicht gewachsen fühlen. Sie spüren, dass sie unter Beobachtung stehen, und der daraus erwachsene Stress kippt die Macht ins Destruktive. Leidensgeschichten von Angestellten unter solcher Art überforderter Führungskräfte gibt es unzählige.[11] An diesem Punkt möchte ich ganz konkret eine kurze Denk- und Reflexionspause machen. Ich gehe davon aus, dass die bisherigen Aussagen über Macht, und die Wirkungsmechanismen von Macht, nicht ohne Spur an Ihnen vorübergegangen sind. Mag sein, dass Sie das auch schon sehr gut kennen. Wagen Sie nun einen Blick auf sich selbst als Führungspersönlichkeit. Wie sehen Sie sich aktuell in Ihrer Arbeitsweise als Führungskraft und Ihren damit verbundenen Machtmöglichkeiten? Ist Ihnen wirklich bewusst, was die Macht mit Ihnen zu machen im Stande ist? Welche Veränderungen Ihrer Gedanken, Gefühle, Ziele und Ihres Verhaltens haben Sie bereits selbst wahrgenommen, oder wurden Ihnen zurück gespiegelt? Im Zusammenhang mit den Wirkungsweisen der Macht stellt sich natürlich auch die Frage, wie schnell sich das Funktionieren des Gehirns durch Macht verändert. Robertson musste dabei feststellen, dass selbst eine kleine Machtfülle schon ausreicht, um einen Rückgang der Empathie auszulösen. Abgesehen davon ist der positive Aspekt der Macht, eine erhöhte Dopaminausschüttung und der damit einhergehende Motivations-, Innovations- und Mutanstieg eben nicht nur positiv zu sehen, sondern kann suchtartiges Verhalten hervorrufen.[12] Die Suchtqualität der Macht und ihre verzerrenden Wirkungen auf den menschlichen Geist haben in der Menschheitsgeschichte Hunderten Millionen Menschen das Leben gekostet. Ich gehe davon aus, dass jeder/jede, der/die diesen Artikel liest, die negative Seite der Macht und die Folgen davon vor Augen hat. Einen Gedanken möchte ich jedoch speziell ausformulieren. Wenn beispielsweise Macht im positiven Sinn die Mächtigen klüger, ehrgeiziger, konzentrierter und mutiger werden lässt, dann heißt das im Umkehrschluss, dass die Untergebenen dümmer, fauler, unkonzentrierter und apathischer agieren. Eine Studie um Maarten Boksem von der Erasmus-Universität Rotterdam belegt:[13] Das Erleben eigener und fremder Macht beeinflusst unmittelbar das Motivationssystem des Gehirns. Das führt dazu, dass die Untergeordneten beispielsweise Verlusten eine deutlich höhere Beachtung schenken als die Mächtigen. Die Untergeordneten zeigen jedoch mehr Sensibilität für gemeinsame Ziele, lassen sich aber leicht von Informationen ablenken und verlieren schnell ihre Ziele aus den Augen.[14] Aus diesem Wissen heraus kann MitarbeiterInnen eigentlich kein Vorwurf bezüglich schlechter Arbeitsleistungen gemacht werden. Ich habe mich in diesem Artikel nur einigen wenigen Aspekten der Macht gewidmet – jenen, von denen ich meine, sie können zum Nachdenken bewegen ohne sofort Schuldzuweisungen in den Raum zu stellen. Ich möchte den Machtmissbrauch nicht anklagen, das steht mir auch nicht zu, sondern ich möchte mit Hilfe des bewussten Erkennens der Verführungsmuster achtsamer mit Macht umgehen und die Verführungen besser zügeln. Die Hauptthese im Buch von Dacher Kaltner „Das Machtparadox, wie wir Einfluss gewinnen oder verlieren“ bringt es deutlich auf den Punkt:[15] Die Machthaber müssten eine Persönlichkeitsentwicklung zulassen. Aber viele Mächtige bleiben lieber ihren Grundsätzen treu, und nur wenige lernen, ihre Macht weise zu nutzen. Spannend ist jedoch zu beobachten, dass die Digitalisierung und die Arbeitswelt 4.0 mit ihren Arbeitsansätzen wie Kollaboration, positive Fehlerkultur und Sinnökonomie dem Machtmissbrauch entgegenzuwirken im Stande ist. Doch wenn man die Wirkungsmechanismen der Macht wirklich versteht, dann sollten wir alle auf der Hut sein, damit die neuen Helden der VUCA-World den Verführungen durch den Machtanstieg widerstehen. Ihr Günther Wagner Literaturquellen: [1] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen. reduce textDie positive Wirkung von Macht für die Mächtigen
Die negative Wirkung von Macht
Ab wann verändert Macht das Verhalten in negativer Weise
Auswirkungen der Macht auf die Untergebenen
Resümee
[2] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[3] Keltner, Dacher: Das Machtpardox. Wie wir Einfluss gewinnen – oder verlieren. Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main: 2016.
[4] http://www.blog.michael-ehlers.de/business-club-talk-macht-und-machtmissbrauch-liegen-eng-beieinander/. Am 2017-06-27 gelesen.
[5] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[6] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[7] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[8] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[9] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[10] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[11] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[12] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[13] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[14] http://www.psychologie-heute.de/archiv/detailansicht/news/die_schattenseiten_der_macht/. Am 2017-06-26 gelesen.
[15] Keltner, Dacher: Das Machtpardox. Wie wir Einfluss gewinnen – oder verlieren. Campus Verlag GmbH, Frankfurt am Main: 2016.