New Work muss man sich stellen – aber anders
Im letzten Artikel, Schock-Prognosen fordern die deutsche Wirtschaft heraus, habe ich versucht, ökologische Veränderungen und die daraus resultierenden möglichen Einflüsse auf die Wirtschaft zu durchleuchten. Umweltbewusstsein mag relevant sein. Wachstum aber ebenfalls, um das, wovon viele heute profitieren, so auch erhalten zu können. Doch beide Seiten sehen oft nur ihren Aspekt und nicht den anderen – die Folgen:
Missverständnisse, Missinterpretationen, vorschnelle Urteile, Ignoranz entzünden sich schnell
Das Öko-Thema ist nur eines in einer Reihe von anstehenden Veränderungs-Themen, die Unternehmen triggern und vorschnell Meinungen generieren – von super positiv bis hin zu völliger Ablehnung. New Work kann sich neben Öko ebenfalls in den polarisierenden und damit auch anfechtbaren Reigen abgenötigter Veränderungen einfügen.
Die einen sehen in New Work bloß einen Hype, einen Modetrend, der wieder verschwinden wird. Die anderen sind davon überzeugt, dass New Work die Arbeitsweise der Zukunft werden wird. Beide Seiten haben Recht:
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Zum einen zeigt sich, New Work scheitert in etwa zu 75% [1], bloß 15-30%, je nach Quelle, dümpeln mit agilen Methoden vor sich hin, ohne das mögliche Potential wirklich auszuschöpfen [2].
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Aber New Work eröffnet tatsächlich auch neue Chancen für NewcomerInnen, für Randgruppen, für kreative ÜberfliegerInnen und mutige InvestorInnen – Tendenz steigend, mit Folgen für den Rest des Marktes, die man jedoch noch nicht als relevant genug ansieht.
read more An New Work und den mit New Work einhergehenden neuen Arbeitsweisen geht kein Weg mehr vorbei. Im alten Stil können wir nicht weitermachen, weil die Digitalisierung Arbeitsprozesse verändern wird, ob wir wollen oder nicht. New Work wird ein Teil der Zukunft werden, vielleicht anders als aktuell gehypt, aber es wird ein Teil werden. Der Öko-Aspekt zählt dazu, weil durch die Digitalisierung ganz neu aufgesetzte und ausgerichtete Produktionen und Dienstleistungen möglich werden, die den Markt aufmischen können, in einer Weise, die man sich jetzt im Moment noch nicht vorstellen kann bzw. mag. So könnte beispielsweise China durch die Kehrwendung vom „klassischen“ Elektroauto hin zum Wasserstoffantrieb weltweit die Automobilbranche auf den Kopf stellen. Wir wissen es nicht, aber es könnte sein. Dauerhafte Verhältnisse, auch Eigentum, wandeln sich ebenfalls und werden zu Bedürfnissen, die von KundInnen immer mehr nur noch auf Zeit „On Demand“ zu befriedigen gesucht werden – Tendenz stark steigend.[3] Das könnte ebenfalls Folgen für die Wirtschaft mit ihrer gegenwärtigen der Steigerungslogik mit sich bringen. Hartmut Rosa, Zeitforscher, Direktor des Max-Weber Kollegs, Professor an der Universität Erfurt und an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, spricht davon, dass wir ökonomisch wachsen müssen, uns beschleunigen müssen, Effizienz steigern müssen, um das zu erhalten, was wir haben. Diese Dynamik hat sich jedoch zu einem leer laufenden Steigerungszwang entwickelt, und formt entsprechend unsere Weltbeziehung auf eine sehr spezifische Weise.[4] Die Steigerungsleistung, die systematisch erzwungen wird, führt dazu, dass wir in einer Daueranspannung der Welt gegenübertreten – und das lässt uns resonanzunfähig werden.[5] Resonanzgeschädigt sehen wir die Probleme und Herausforderungen jedoch nur noch verzerrt. Damit erhöht sich die Zahl an Fehlentscheidungen – auf Unternehmensseite, politisch, aber auch privat und damit gesellschaftlich. Das was Rosa über die postmoderne Welt und deren Beziehungsgefüge analysiert, steht jedoch im Widerspruch zu dem, was New Work fordert, mehr Empathie, mehr Resonanz, mehr WeQ statt IQ, um die Herausforderungen adäquat meistern zu können. Resonanz heißt, in Beziehung zu treten mit der Welt, sich von der Welt und dem was die Welt beschäftigt, anrufen und verwandeln, sich berühren zu lassen. Damit ist man aber auch verwundbar und verletzbar. Und genau das kann und will man sich nicht erlauben, ist nach Rosa unter dem Vorzeichen des Steigerungszwangs auch schier irrational.[6] Zum einen fordert man von den Führungspersönlichkeiten mehr Empathie, will das intentional herstellen, aber die Kontrolle muss dabei behalten werden – das widerspricht sich. Es ist schwer in emphatischen Kontakt zu treten, aber das bloß in sehr kontrollierter Weise passieren zu lassen: Der Tiger soll bitte pünktlich um drei Uhr zum Fototermin bereitstehen, und das mit ausreichendem Abstand, zu viel Nähe könnte gefährlich werden. Wer weiß, was dann passiert … So beschreibt es Rosa, wie Menschen miteinander heute agieren. Mit dieser Art in Beziehung zu treten, angeheizt von der kontrollierbaren Steigerungslogik, zieht sich die Resonanz immer mehr zurück und erkaltet.[7] Gleichzeitig aber fordert New Work in Verbindung mit anderen Aspekten, mehr Empathie, mehr Intuition, mehr Offenheit, mehr freien Fluss statt Kontrolle. Das ist fast schon schizophren, kontrollierbar der Steigerungslogik folgen, und gleichzeitig resonant empathisch die Prozesse freier fließen lassen. Der amerikanische Zukunftsforscher Alvon Toffler schreibt in seinem Buch „Future Schock“ von der Not des zu schnellen Wandels: Die Beschleunigung der letzten 70 Lebensspannen von zuvor 650 Lebensspannen, die Menschen über all diese hinweg nur in Höhlen lebend verbracht haben, lösen eine Art (unbewussten, weltumspannenden) Schock aus. Das Tempo der Umweltveränderungen und das Tempo, mit dem der Mensch darauf reagieren kann, ist aus der gesunden Bewältigung gefallen.[8] Es bleibt keine Zeit mehr für Resonanz. Im Gegenteil, Resonanz könnte das überforderte menschliche Fass zum Überlaufen bringen. Man tritt die emotionale Notbremse, ignoriert und klammert alles Unbequeme aus, um das Rad am Laufen zu halten, auch wenn das sogar gefährlich ist. Die rasanten Veränderungen machen auch nicht vor der Lebensdauer von Unternehmen halt. Mittlerweile ist die Lebenserwartung von Unternehmen auf weniger als 20 Jahre gesunken, und sinkt noch weiter. Das ist u.a. ein Grund, warum Stephan Jansen, Präsident und Professor an der Zeppelin University in Friedrichshafen, an GründerInnen appelliert: Bitte denkt am Anfang auch schon an das Ende, weil es immer wichtiger wird, ein gutes Ende zu managen. Aber genau das lässt viele kalt, und ein Ende wird ins Abseits geschoben.[9] Ob man will oder nicht, New Work heißt auch, sich immer wieder einem Ende stellen zu müssen – nicht unbedingt gleich dem Ende des Unternehmens, aber einem Ende der gewohnten Arbeitsstrukturen und den damit verbundenen Arbeitsweisen, lieb gewonnen Produkten und möglichen Annehmlichkeiten. Das fordert heraus, Bestehendes wirklich ziehen zu lassen, neue Strukturen offen und flexibel zu entwickeln, um rasch auf weitere Veränderungen reagieren zu können, sich auf eine permanente Transformationsfähigkeit einlassen zu können, so wie es VORSPRUNGatwork diagnostiziert. Der Übergang von Alt zu neu fordert Engagement, Betroffenheit und mehr Kenntnisse als geplant. Das widerstrebt der Gewohnheit, das widerstrebt den Zeitvorgaben im Management, das widerstrebt oft auch den Menschen, den MitarbeiterInnen wie auch Führungskräften, die es gerne schnell erledigt haben wollen bzw. keine Verunsicherungen, Ängste und Verluste von alt gewohnten Routinen und Vorteilen spüren möchten. Diesen Prozess kann man in drei Phasen unterteilen, die jedoch nicht getrennt und schon gar nicht seriell ablaufend betrachtet werden sollten. Diese drei Phasen fließen parallel zueinander. Der Einfluss einer bestimmten Phase ist mal stärker, mal weniger stark im Vergleich zu den beiden anderen. Es zeigt sich zwar eine gewisse Tendenz, welche Phase wann im Veränderungsprozess intensiver und einnehmender wirkt, aber das kann nicht dogmatisch auf jeden sich im Veränderungsprozess Befindlichen angewendet werden. Die Phase 1 ist eine Erkenntnisphase, darüber, was man an Gewohnheiten in der Arbeit liebgewonnen hat, worauf man sich verlässt, in welchen Komfortzonen man sich bewegt und was man eigentlich nicht ändern will, weil es unter Umständen unbequem ist, und darüber hinaus Unsicherheiten und Ängste auslöst. Bequemlichkeit, Unsicherheit und Angst blockieren jedoch jede Veränderung. Mit Angst im Nacken ist sofort Widerstand aktiviert, und die angestrebte Veränderung, auch wenn diese tatsächlich Vorteile verschaffen könnte, erstickt im Keim. Die Phase 2 ist unglaublich wichtig, wird aber oft nicht im Prozess mit einbezogen. In dieser Phase wird man mit Dilemmata und Paradoxien konfrontiert. In dieser Phase erprobt man die neuen Möglichkeiten, obgleich man gleichzeitig auch noch an den gewohnten alten Verhaltensweisen festhält – als Sicherheit. Man pendelt hin und her zwischen alt und neu. Man sitzt zwischen zwei Stühlen. Das Alte hält man noch fest, das Neue setzt man als Ziel auf Prozess-Papiere. Ein Ja, aber … schleicht sich subtil ein, und versucht die angestrebten Veränderungen so gut es geht von sich fern zu halten bzw. so hinzudrehen, dass man selbst davon nicht betroffen ist. In der 3. Phase geht es dann konkret um die Entscheidung, darum sich wirklich auf das Neue einzulassen und das Alte definitiv loszulassen. Oft tut man jedoch nur so, als ob man das Alte loslässt und sich voll auf das Neue einlässt – aber das ist leider häufig ein Trugschluss. Doch das ist ganz normal. Das ist u.a. auch die Strategie der Gewohnheit, um Ängsten und Unsicherheiten auszuweichen. New Work ist weit mehr als nur die Auseinandersetzung mit dem Neuen, sondern ebenso die intensive Beschäftigung mit dem Alten. Das verlangt Einsicht, Resonanz zu sich selbst und zu dem, was andere erleben. New Work verlangt Willenskraft, um der Kraft der Gewohnheiten widerstehen zu können. Denn selbst dann, wenn die Entscheidung zur Änderung wirklich konkret getroffen ist, werden die alten Gewohnheiten immer wieder aufs Neue versuchen, das Alte ins Neue hinüber zu schummeln. Immer dann, wenn das Neue Unsicherheit auslöst, ist sofort das Alte zur Stelle und versucht unter dem Deckmantel des Neuen die alten Verhaltensweisen geschickt ins Neue einzufädeln. Man will Erfolge generieren, aber ohne die umfassenden Herausforderungen auch anzunehmen, die bei Veränderungen nun einmal auch zu managen sind. Man schaut viel zu oft nur auf das, was man ohne größeren Aufwand scheinbar gut zu managen bekommt, rasch Erfolge sichtbar werden lässt. Man konzentriert sich auf oberflächliche Anhaltspunkte, aber nicht auf die systemisch tiefgreifenden Aspekte – verständlicherweise. Doch genauso scheitern agile Arbeitsmethoden. New Work verkommt zu einem Buzzword, mit wenig Substanz. Gleichzeitig braucht es aber die neuen, veränderten Arbeitsstrukturen, um die mit der Digitalisierung einhergehenden neuen Möglichkeiten erfolgsversprechend im Verständnis der Steigerungslogik in Spur zu bringen. Unternehmen bzw. die MitarbeiterInnen und Führungskräfte geben zu, dass sich viele unsicher sind was die Zukunft betrifft, dass Angst da ist, Misstrauen, Frustration, Zerrissenheit, auch Gleichgültigkeit, Resignation, Hilflosigkeit, Aggression, Bedrohung, ein Spiel mit dem Feuer, zum einen anregend zum anderen abschreckend, … aber auch Lichtblicke, Neugierde, Euphorie, Hoffnung, etc. gibt ihnen der Blick in die Zukunft. Ja, sie wirkt sogar vitalisierend. New Work wird vorwiegend an 2 Polen besiedelt. Auf dem einen Pol sammeln sich alle jene, die New Work als echte Innovation mit unglaublich vielen neuen Möglichkeiten und Chancen sehen. Auf dem anderen Pol findet sich Skepsis, Angst, Überforderung und Bedrohung. New Work polarisiert und verliert damit an Kraft und Wirkungsweise. New Work braucht deutlich mehr Auseinandersetzung zwischen den Polen, mehr Verständnis für die unterschiedlichen Aspekte auf dem gesamten Kontinuum innerhalb der beiden Pole. Es genügt für die erfolgsversprechende Implementierung von New Work nicht, bloß einzelne Wände neu zu setzen oder einige Räume neu einzurichten. Ein VORSPRUNG at work kann erst dann erfolgsversprechend wirksam werden, wenn man es wagt, die alles tragende Unternehmenskultur, das Fundament des Unternehmens einem entsprechenden Umbau zu unterziehen. So analysiert es Andreas Loroch, Co-CEO bei VORSPRUNGatwork. New Work ist ein umfassender Kultur-Change, eine grundlegende Auseinandersetzung mit dem Mindset eines Unternehmens, bezieht neben neuen Arbeitsweisen wie agile Methoden, flexible Strukturen, flache Hierarchien, Kollaboration, Sinnökonomie, offene Wissenskultur, … einen wichtigen weiteren Aspekt ein: in Resonanz gehen, nach innen wie nach außen mit der Welt – heute und morgen, sprich mit der Zukunft der Welt. Das ist ein äußerst relevanter Schritt, ein Schritt voraus, ein Vorsprung. Das klingt einfach, weil alle meinen, sie tun das. Aber dem ist nicht wirklich so, dafür braucht es Resonanz, und genau an der mangelt es nach Analyse von Rosa jedoch immer mehr. Ohne echte Resonanz und einer damit verbundenen Vision wird man scheitern, vielleicht weniger, weil man die neuen Arbeitsstrukturen nicht stimmig genug aufgesetzt hat, sondern weil man die Gefahren der neuen Welt nicht rechtzeitig zu erkennen beherrscht. Die neue Welt verlangt, dass wir uns weniger darauf fokussieren, wie wir etwas dazu zwingen können, in unsere Pläne zu passen. Stattdessen müssen wir uns darauf fokussieren, miteinander in Beziehung zu sein, in Resonanz zu gehen, uns in die Erfahrung zu begeben, um zu bemerken, was daraus entsteht. Wir werden aufgefordert empathisch teilzunehmen [10] – betroffen zu sein von dem, was in der Welt passiert und was die Zukunft der Welt mit sich bringen könnte. Mit den Worten von Yoda, Jedi-(Groß)Meister in Star Wars: Ihr Günther Wagner PS: Um meine zukünftigen Beiträge zu lesen, können Sie mir auch auf LinkedIn, Xing und Twitter folgen. Darüber hinaus finden Sie in der Gruppe „Leadership Café …“ neben meinen Beiträgen ebenso Beiträge anderer HR Influencer. Informationsquellen: [1] https://www.linkedin.com/feed/update/urn:li:activity:6469127421533700096/. Am 2018-11-21 gelesen. reduce textNew Work ist nicht besser, sondern anders
Die meisten verweigern nicht die Veränderung, sondern den Übergang
VORSPRUNGatwork hat nachgefragt, wie sich die Zukunft für deren KundInnen zeigt
Resümee
[2] https://alinbu.net/blog/die-agile-bewegung-ist-gescheitert/. Am 2019-02-25 gelesen.
[3] https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2006/ende/der-end-effekt. Am 2019-06-25 gelesen.
[4] Flaßpöhler, Svenja im Gespräch mit Rosa, Hartmut: Philosophie Magazin Nr. 04/2019. Ich will den Modus unseres In -der-Welt-Seins-ändern.
[5] Flaßpöhler, Svenja im Gespräch mit Rosa, Hartmut: Philosophie Magazin Nr. 04/2019. Ich will den Modus unseres In -der-Welt-Seins-ändern.
[6] Flaßpöhler, Svenja im Gespräch mit Rosa, Hartmut: Philosophie Magazin Nr. 04/2019. Ich will den Modus unseres In -der-Welt-Seins-ändern.
[7] Flaßpöhler, Svenja im Gespräch mit Rosa, Hartmut: Philosophie Magazin Nr. 04/2019. Ich will den Modus unseres In -der-Welt-Seins-ändern.
[8] https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2006/ende/der-end-effekt. Am 2019-06-25 gelesen.
[9] https://www.brandeins.de/magazine/brand-eins-wirtschaftsmagazin/2006/ende/der-end-effekt. Am 2019-06-25 gelesen.
[10] Laloux, Frederic, Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. Verlag Franz Vahlen GmbH. München: 2015. S.214.
[11] Blauvelt, Christian: Entdecke den Yoda in Dir. DK Verlag. London: 2018.