
SOCIAL NETWORK HYPE IN CORONAZEITEN
Auch wenn es jetzt so scheint, also ob es bald wieder wie vor Corona weitergeht, kann ich der scheinbaren positiven Aufbruchstimmung nicht so richtig glauben – auch wenn ich es gerne wollen würde.
Es fällt mir deshalb auch wirklich schwer, auf den Social Media Kanälen die digitale Präsenz und den damit verbundenen Hype mitzumachen, euphorisch mit all den anderen im digitalen Arbeits-Reigen mitzutanzen – jedoch nicht, weil ich das nicht könnte. Auch nicht, weil es meiner Meinung nach falsch wäre – im Gegenteil. Insbesondere im letzten Jahr habe ich ja unermüdlich argumentiert, dass viele Unternehmen die Digitalisierung verschlafen, die digitalen Kommunikationsmöglichkeiten stiefmütterlich behandeln und damit in der Zukunft ins Strudeln geraten könnten.
Was hindert mich aber jetzt daran, den endlich aufbrechenden digitalen Hype mitzumachen?
Warum juble ich nicht und kann überzeugt in den Social-Media-Kanälen verkünden, na endlich, durch Corona sehen die Unternehmen wie wichtig Digitalisierung, wie wichtig Vernetzung, Kollaboration und agiles Arbeiten ist?
Meine aktuelle Zurückhaltung mag Dich jetzt erstaunen, manche irritieren – wie vielleicht auch mein Wechsel bei der Ansprache von Sie auf Du. Das kam in mir so hoch, u.a. deshalb, weil Corona schonungslos zeigte, wie sehr wir voneinander abhängen, wie eng wir Menschen mit der Umwelt im Austausch sind, wir weltweit doch im gleichen Boot sitzen und versuchen ein gutes Leben zu führen. Ob wir wollen oder nicht, wir sind uns alle näher, als manchen von uns lieb ist, und das möchte ich mit dem Du unterstreichen.
Die Digitalisierung unterstützt diesen Trend ohnehin ohne großes Aufheben darum. Mit Hilfe der Digitalisierung, mit Hilfe der digitalen Kommunikationsmöglichkeiten war es überhaupt möglich, jetzt in der Coronakrise die Wirtschaft noch am Laufen zu halten. Und dennoch jubiliere ich nicht und versuche auch nicht wie viele andere, Dir Online-Beratungs-Tools zu verkaufen, Führung in digitalen Zeiten als das Non-Plus-Ultra ans Herz zu legen, um die Krise so scheinbar bestmöglich zu meistern.
Nein, bei diesem digitalen Run und Hype mache ich nicht mit, weil es meiner Meinung nach nicht das ist, was es an Herausforderungen aktuell zu lösen gilt.
Es mag zwar stimmen, dass viele Unternehmen nicht adäquat und professionell die digitalen Medien nutzen, dass das Führen von Online-Teams oftmals nur provisorisch vonstatten geht, Homeoffice noch in den Kinderschuhen steckt. Aber das sehe ich aktuell gar nicht so sehr als das Problem. Viele machen Fehler dabei, manche mehr andere weniger, aber aufgrund der Ausnahmesituation gibt es viel gegenseitiges Verständnis, Unterstützung und Hilfsbereitschaft, stärkt sogar den Trend eine positive Fehlerkultur wirken zu lassen, wo sicherlich an der einen oder anderen Stelle mit Online-Beratungen manches leichter und schneller umzusetzen möglich ist.
Doch meiner Meinung hat nicht der Shutdown selbst die Wirtschaft lahm gelegt, weil man nicht schnell genug, nicht agil genug, digital schlecht vorbereitet den Arbeitsstil an die Situation anpassen konnte. Nein, das sehe ich in der Coronakrise nicht als das Hauptproblem. Sondern viel mehr sehe ich den Punkt, dass diese durch den Virus angetriggerte Krise uns was anderes deutlich vors Auge führt, und zwar das höchst sensible Zusammenspiel von Lebenswelten, von Umwelten, vom Leben als Gesamtes auf dem Planeten Erde.
Die Krise, die sich aktuell zeigt, ist eine Systemkrise. Das, woran man weltweit herumdoktert, um das Leben, um die Wirtschaft nach dem Shutdown wieder hochzufahren, ist nur ein Herumdoktern an den Symptomen. Und das reicht nicht, die Ursache der Krise in den Griff zu bekommen, weil die Krise nicht durch Corona selbst entstanden ist, sondern schon viel länger vor sich hin schwelt. Dem mögen jetzt einige von Euch sicherlich und auch verständlicherweise widersprechen. Ja, es gibt sicher Betriebe, die erst durch Corona in eine richtige Krise stürzten. Aber es gibt genug Unternehmen, die schon vor Corona sich in einer Lebensphase befanden, die man nicht mehr für gesund einstufen konnte.
Vielleicht reagierst Du jetzt mit Unmut oder sogar Ärger, weil Du meine Annahme, die Krise besteht schon viel länger, nicht gutheißen kannst bzw. willst. Stattdessen möchtest Du sofort zu den Punkten kommen, die Dir bestätigen, dass Du und Deine Maßnahmen im Umgang mit der Corona-Krise richtig und erfolgsversprechend sind. Du willst hören, was Du immer gewohnt warst zu hören, dass Du mit Deinen Strategien, Wachstum wieder anzukurbeln, noch effizienter zu agieren, digital bestmöglich aufgestellt sein, richtig liegst und es damit wieder aufwärts geht. Dir in Deinen Annahmen, wie die Wirtschaft funktioniert und wie die Wirtschaft wieder zum Laufen kommt zu widersprechen, löst meist Verärgerung, Ablehnung, das Verurteilen der anderen Meinung aus – menschlich gesehen verständlich. Aber es hilft nicht, wirklich große Probleme gelöst zu bekommen und es hilft nicht, die notwendige Innovation anzukurbeln, die wir aber aktuell brauchen, um die Coronakrise, in Verbindung mit den anderen Krisen, gemanagt zu bekommen. Also was kannst Du jetzt an der Stelle tun:
Du kannst jetzt an dieser, für Dich vermutlich unangenehmen Stelle eines machen:
Erstens: Du kannst Dich Deinem Ärger über mich hingeben, meine Meinung als falsch deklarieren, hörst auf zu lesen, und springst zu einem ganz anderen Artikel in den Social Media Plattformen, zu einem Artikel, der das ausspricht, was Du als richtig empfindest …
Zweitens: Oder Du scrollst jetzt noch bis zum Ende von diesem Artikel, zum Resümee, um evtl. dort noch vielleicht eine relevante Aussage zu finden, die Dir möglicherweise doch noch eine Bestätigung oder einen Lösungsansatz gibt, den Du vielleicht noch nicht konkret so angedacht hast, aber der Dir helfen könnte, …
Drittens: Oder Du gibst Dir einen Ruck, und liest den gesamten Text mit der Vorahnung, es könnte Dich eventuell unangenehm berühren, es ist nicht das, was Du eigentlich hören bzw. lesen möchtest, es ist vermutlich auch nicht das, was Deine Sichtweise, Dein Verständnis von Wirtschaft und Erfolg und Lösungsansätze zur Überwindung der Coronakrise bestätigen wird, …
Hast Du Dich für 1. entschieden?
Wenn ja, dann kann ich Dir sagen, dass ich Dich voll und ganz verstehe.
Du willst, Du musst im Schnelllauf mit all den anderen trotz und mit Corona die Wachstumsziele sicherstellen. Du stehst unter Druck. Du musst weiterhin in gewohnter Weise Erfolge verzeichnen, und nicht die Kehrseiten einer vernetzten, ausbeuterischen, unfairen Wirtschaft diskutieren. Du wirst nicht dafür bezahlt, die Wirtschaft neu zu denken, sondern Wachstum zu generieren, Gewinne zu steigern. Damit sicherst Du Dein eigenes Leben und ev. das Leben der MitarbeiterInnen.
Aber genau dieses Verständnis führte in die Krise, die schon vor der Coronakrise ein Thema war. Die Coronakrise ist nicht bloß eine Krise wegen der mit Corona verbundenen Maßnahmen, sondern wir stecken schon viel länger in der Krise. Wir stecken in einer Systemkrise, die schon vor Corona Thema war, aber die wir so gut es geht zu verdrängen suchten. Aktuell tun wir dahingehend alles, um das nicht wahrhaben zu müssen, indem man weiterhin versucht so schnell wie möglich zur angeblich guten Normalität, zum sogenannten Erfolg vor Corona zurückzukehren – mit einem endlosen Wachstum in einer endlichen Welt, einem Wachstum auf Kosten anderer ohne Rücksicht auf die Umwelt, ohne Rücksicht auf die Folgen, ohne Rücksicht auf die Konsequenzen einer Digitalisierung, die zwar aktuell die Wirtschaft am Leben hält und gleichzeitig aber die Wirtschaft längerfristig in anderer Weise aushöhlen wird.
Wir scheinen dem Corona-Virus mit all unseren Kräften zu trotzen, rühmen uns dafür, suchen nach Strategien, um rasch wieder zum gewohnten Wirtschaften zurückzukehren anstatt den Shutdown zu nutzen, Innezuhalten und das, was wir tun einmal wirklich gründlich zu reflektieren. Der Shutdown hätte uns helfen können, das Weltgeschehen einmal mit anderen Augen zu sehen, neue Einsichten zu gewinnen, das was lebenswert ist, was lebenserhaltend wichtig ist, einmal intensiver unter die Lupe zu nehmen, um das sensible Gleichgewicht, das Spiel der Mächte Umwelt-Wirtschaft nicht mehr länger über die Maßen hinaus auszureizen.
Mag sein, dass Du das in keiner Weise so siehst, meine Meinung sogar als wirtschaftlich gefährlich erachtest, die Wirtschaft neu zu denken, die Wirtschaft mit dem Erfolgsstreben in Frag zu stellen. Das macht Angst, und das löst eben auch eine Krise aus. So gesehen verstehe ich Deinen Unmut und Deinen Ärger und Deine Abwehr. Ich wünsche Dir dennoch das Beste und verabschiede mich, weil ich Dir an der Stelle vermutlich nicht das bieten kann, was Du vielleicht brauchst – konkrete Strategien, um die Wirtschaft so schnell wie möglich wieder auf Erfolgskurs zu führen …
Danke, dass Du dennoch bis an dem Punkt mir Dein Interesse geschenkt hast.
Hast Du Dich für 2. entschieden, dafür, dass Du Dich ebenfalls nicht unbedingt aktiviert fühlst weiterzulesen, aber unsicher bist, ob eventuell am Ende des Artikels vielleicht doch noch was Wichtiges steht, und Du deshalb noch zum Resümee scrollen und grob überfliegen möchtest, was dort noch steht. Es könnte doch sein, dass am Schluss von diesem Artikel noch die eine oder andere Information zu finden ist, die Dir wichtig scheint. Mal sehen, vielleicht ist es so … Scrolle hinunter zum Resümee. Wir treffen uns dort wieder.
Und jetzt komme ich zu jener Gruppe von LeserInnen, zu jenen, die sich für 3. entschieden haben, zu Dir, der Du trotz Zeitnot, trotz aufkeimender Skepsis oder Langweile oder Unruhe, den ganzen Text lesen willst, ohne zu wissen, ob das für Dich von Nutzen ist oder nicht, oder Dich sogar unangenehm berührt.
Starten wir gemeinsam hierbei mit einer Fahrt durch den Tunnel. Die Corona-Zeit fühlte sich für manche an wie eine solche – dunkel, eingeengt, eingeschränkt in der Wendigkeit, äußerst starr in den Vorgaben. Diese Metapher, die Fahrt durch den Tunnel mag von einer bestimmten Perspektive aus stimmen, die Corona-Zeit war wie eine Fahrt durch einen Tunnel mit der Ausrichtung und der Hoffnung, dass der Tunnel bald zu Ende sein möge, und man wieder normal den Arbeitsalltag bestreiten kann. Aber ich persönlich sehe es etwas anders.
Während der heißen Shutdown-Phase war ich auch geneigt, mich wie in der Fahrt in einem Tunnel zu sehen, aber im Laufe der Zeit sah ich deutlich mehr, nämlich, dass wir zum Großteil unseres Erwerbslebens im Tunnel fahren, aber gar nicht merken, dass es so ist. Der Tunnel fühlt sich an, als ob es kein Tunnel wäre, sondern das ganze Leben miteinschließt. Wir haben unser Tunnelleben bestmöglich organisiert, wir leben ein Leben auf einer 16spurigen Tunnelautobahn – eine Präzisionsleistung der Industrialisierung.
In diesem Tunnel haben wir nie damit gerechnet, dass ein Virus namens Covid-19 unsere Tunnelfahrten zum Erliegen bringt. Und was tun wir jetzt in dem Schock, weil die Tunnelfahrten nicht mehr reibungslos funktionieren, wir versuchen in dem Tunnel so schnell wie möglich wieder handlungsfähig zu werden. Wir hypen von einem Tag zum anderen die bis dahin oft noch stiefmütterlich betrachteten digitalen Kommunikationsplattformen. Von einem Tag zum anderen waren Homeoffice, virtuelle Meetings, agiles Arbeiten, … eine weltumspannende, anregende, erfreuliche, positiv anmutende Normalität in diesem Tunnel, sprich eine weitere Spur, die bislang nur von wenigen genutzt wurde, wird jetzt von einem Tag zum anderen auch von vielen anderen zu nutzen gesucht.
Und jetzt scheint es wieder vorwärts zu gehen – zumindest wird mit einem solchen Bild gerne nach außen hin zu überstrahlen gesucht, man kann sich wieder frei bewegen, digital frei. Und so eilen wir weiter im Arbeitsleben mit dem Tunnelblick, fühlen angeblich die neuen Freiheiten, obgleich wir noch immer im Tunnel sind. Alles ist bestens, die Coronakrise kann gemeistert werden. Wenn man sich dahingehend kritisch meldet, dann wird man aktuell schnell ins Eck der MiesmacherInnen gedrängt. Dann heißt es, man hätte es nicht verstanden die Coronakrise zu nutzen, um endlich wirklich agil zu werden, wendig sich auf die neue Normalität und die neuen Bedürfnisse einzustellen, digital offensiv in den Markt zu gehen, neue Wachstumsmärkte zu erschließen. Es stimmt zwar, es ist gut, innovativ zu sein, neue Märkte zu erschließen, die Zukunft erfolgsversprechend im Blick zu haben.
WELCHE ZUKUNFT IST ERFOLGSVERSPRECHEND?
Ist es doch fast immer nur das Bild einer Zukunft im altgewohnten Rahmen, im hergebrachten Verständnis von Erfolg, Wachstum, Gewinn, Annehmlichkeit, Sicherheit, … – ohne das jetzt schlecht machen zu wollen. Doch wer sagt, dass das wirklich die Zukunft ist, die uns Menschen auf dem Planet Erde ein gutes Leben ermöglichen kann?
Wir verbinden mit der Zukunft noch immer die schönen Seiten der Vergangenheit, wollen deshalb jetzt mit dem Shutdown auch wieder vermehrt zurück zum Erfolg vor Corona. Ein solches Zukunftsbild möchte ich niemandem nehmen. Auch ich möchte in eine positive, florierende Zukunft blicken. Dafür muss ich jedoch erkennen, dass das, was ich bisher als Zukunft sehe und dahingehend zu tun gedenke, unter Umständen nur aus einem eingeschränkten Tunnelblick heraus entsteht. Das ist jedoch nicht die Zukunft, die ich für die Menschheit auf dem Planet Erde mit den aktuell umfassenden Herausforderungen als erfolgsversprechend ansehen würde.
Corona war dahingehend für mich ein Lehrmeister, hat mir zu verdeutlichen gezeigt, dass ich schon vor Corona im Tunnel saß. Mit Corona hat sich mein Tunnelblick geweitet, mir zu verstehen gegeben, der Tunnel ist meine gedankliche Konstruktion von Erfolg, davon was ich als Leben für erstrebenswert erachte. Nach außen hin mögen bereits viele Tunnel scheinbar weltoffen, verantwortungsbewusst, umweltbedacht wirken, aber das ist die große Täuschung, geht am Leben vorbei, ist nicht im Stande zu erfassen, was auf der Erde außerhalb vom Tunnel wirklich los ist, was alles ineinander verwoben wirkt und was alles Aufmerksamkeit braucht, um den Menschen auf der Erde weiterhin ein gutes zu Hause bieten zu können.
Corona hat diesen gedanklichen Tunnel von Erfolg gerüttelt, eingestürzt ist er weder bei mir noch vermutlich bei anderen – auch wenn einige wenige sogar äußerst begierig darauf hofften und meinten, die Zeit nach Corona wird eine neue Zeit sein. Ich selbst wage nicht zu beurteilen, ob Corona das Weltgeschehen verändert könnte – weder in die eine Richtung noch in die andere. Ich kann nur für mich selbst versuchen, das was gerade läuft weitgreifend zu reflektieren.
Dahingehend sehe ich mit Corona zwar einen massiven Schnitt in das Leben der Welt, aber es gibt andere Faktoren, die wie Corona, unser Leben noch viel nachhaltiger prägen werden als Corona selbst das für Monate getan hat und noch in abgeschwächter Form aktuell tut. Und genau das sehen wir aber in dem Tunnel nicht, indem wir schon vor Corona unterwegs waren.
Und genau das ist es, was mich aktuell an der Situation wirklich irritiert, dass wir schon viel, viel länger in gedanklichen Tunneln das Leben und die Wirtschaft führen und viele heikle Themen damit übersehen. Corona hat es geschafft, in unser aller Tunnelsystem einzudringen, eine weltweite Hysterie, Angst, Sorge, Stress um das Leben auszulösen. Der Klimawandel, der unser aller Leben ebenfalls gefährdet, löst hingegen keine Todesangst aus, obgleich weltweit jährlich rund 4,5 Mio Tote durch Luftverschmutzung zu verzeichnen sind. Diese Herausforderung übersehen wir täglich in unseren Tunneln bzw. nehmen es nicht wahr in dem eingeschränkten Denkhorizont. Um einzusehen, wie sehr wir uns auch um das Klima, um Überbevölkerung, Überalterung, Ressourcenengpässe kümmern sollten, sollten wir unsere gedanklichen Tunneln endlich verlassen, den 16spurigen High-Tec-Erfolgs- und Fun-Tunnel über einen Notausstieg verlassen, um einmal aus einer neuen Perspektive heraus das eigene Tun, die Wirkung und Folgen der unternehmerischen Aktivitäten betrachten.
Mag sein, dass Du Dich jetzt missverstanden fühlst, dass Du meine Sichtweise als falsch und vielleicht sogar anmaßend empfindest. Das kann ich gut nachvollziehen, weil es nicht unbedingt positiv stimmt und die Euphorie, die Coronakrise schnell und wendig zu meistern, nicht untermalt – im Gegenteil:
Ich beschwöre die nächsten dunklen Zeiten hervor. Dabei weiß doch niemand, ob das mit dem Klima wirklich so schlimm ist. Manchen ist es im Moment sogar egal, weil es aktuell die wenigsten von uns persönlich trifft – hart ausgedrückt, wir müssen jetzt im Moment keine Todesangst empfinden, wenn wir uns nicht um das Klima bemühen. Jene, die das trifft, leben nicht in unserem nächsten Umfeld, so gesehen ist das Thema scheinbar in einem in unserem Tunnelsystem nicht existent. Solange wir selbst im Tunnel nicht betroffen sind, müssen wir uns nicht sorgen, wir haben auch noch genug Nahrung, und die Umweltkatastrophen in Anbetracht des Klimawandels betreffen unsere Tunnel (noch) nicht – also müssen wir auch nichts ändern an unserer Lebens- und Sichtweise.
Corona hingegen hat sich sehr wohl in unseren eigenen Tunneln eingeschlichen, konnte damit jeden und jede von uns treffen. Niemand konnte mehr sicher sein, niemand konnte wissen, ob der Virus einen heimsuchen kann, ob und wie man damit erkranken würde, ob es sogar lebensgefährlich werden könnte. Beim Klimawandel ist das nicht so – dieser ist in unserem Tunnelsystem noch nicht spürbar genug. Wir sind noch nicht persönlich davon betroffen. Und diese Fehleinschätzung macht mich aktuell nachdenklich. Corona hat uns gezeigt, wie viel Angst eine ganze Welt vor dem Tod hat. Corona hat uns gezeigt, wie hoch sensibel das Leben auf dieser Welt ist, wie hochgradig vernetzt alles miteinander verwoben lebt – vom nur mikroskopisch sichtbaren Wesen bis hin zum Planeten Erde, den wir in einer Weise wie niemals zuvor in der Menschheitsgeschichte ausbeutet und überfordern.
Mit Covid-19 ist Panik ausgebrochen, weil wir dem Tod global ins Auge blicken mussten – es hätte jeden und jede treffen können. Wir saßen im Tunnel fest, fühlten wie eine Maus vor der Schlange. Wir sind jedoch nicht fähig gewesen zu erkennen, dass es nicht der Tunnel ist, der uns lahmlegt, sondern unsere Gedanken, unsere gedanklichen Konstrukte über das, was die Welt zu sein scheint und was die Welt bedroht. Und das stimmt mich wirklich nachdenklich, löst eine Sinnfrage in mir aus. Wir empfinden Covid-19 als lebensgefährlich, aber erkennen nur bedingt die Gefahr der Klimaerwärmung und setzten kein angemessenes Maßnehmen, um diese Bedrohung in den Griff zu bekommen, nur weil wir gerade in unseren Tunneln noch nicht persönlich den Klimawandel zu spüren bekommen. Wir fühlen uns so sicher, und sind es in keiner Weise, wenn wir so weitermachen wie in den letzten Jahren. Dann werden wir vielleicht mit deutlich größeren Krisen als der Corona-Krise fertig werden müssen.
RESÜMEE
Ich kann jetzt an der Stelle nur eines sagen, wagen wir einen Blick außerhalb des Tunnels. Bleiben wir im Tunnel bei einer Not-Bucht stehen, gehen wir gemeinsam durch den Notausstieg. Wir wissen vermutlich beide nicht, wohin uns der Notausstieg führt. Es ist nur gewiss, wir werden etwas anderes sehen als den Tunnel. Aber das andere ist genauso real, wie der Tunnel selbst.
Machen wir gemeinsam einen Blick out of the box.
Versuchen wir zu verstehen, dass wir alle, auch ich, das Leben aus gedanklichen Konstruktionen zu leben suchen, die jedoch fast immer nur einen kleinen Ausschnitt zu zeigen fähig sind – eben ein Tunnel sind. Aber die Tunnel sind nicht die Realität, die Tunnel sind einfach nur Hilfskonstrukte, eingeschränkte Sichtweisen, dienlich um das Leben zu erleichtern, um die Fülle und Komplexität leichter in den Griff zu bekommen. Aber gleichzeitig geraten wir genau mit diesen schwer wahrnehmbaren Tunnelblicken in eine Sackgasse, weil wir im Tunnelblick die Komplexität missinterpretieren und in Folge unzureichende Maßnahmen setzen.
Wenn Sie mir bis hier her gefolgt sind, dann werden Sie vermutlich jetzt an der Stelle nicht unbedingt vor Euphorie aufschreien. Es wird Ihnen vielleicht sogar schwerfallen, die nächsten Schritte, Ziele, Strategien zu setzen, um Ihr Unternehmen wieder auf Erfolgskurs zu führen, zur Normalität zurückzukehren. Das ist vermutlich auch der Grund, warum wir selten einen Blick aus dem Tunnel wagen, weil uns dann die Welt in ihrer Größe, in ihrer Komplexität und hohen Sensibilität zu Füßen liegt, wir uns äußerst klein und unzureichend fühlen, ev. sogar schlechtes Gewissen, Angst vor der Zukunft, Angst vor den wirklich großen Herausforderungen aufsteigt. Aber wagen wir es, den Tunnel zu verlassen, uns den unangenehmen Gefühlen zu stellen und den Blick zu weiten, zeigt sich eine neue Kraft, neue Interessen, neue Motivation, neue Einsichten, neue Ziele, neue Geschäftsfelder, neue Produktionsmöglichkeiten, …
Und an dem Punkt stehe ich jetzt persönlich. Das heißt konkret, ich werde gemeinsam mit anderen neue bzw. andere Wege zu gehen suchen, mich anderen Themen widmen als bisher, … Dabei muss ich mich selbst genauso überraschen lassen und offen sein, wie Du, der und die Du mir bisher aus bestimmten Gründen heraus gefolgt bist. Wagen wir gemeinsam einen Gedanken- und Hörsprung Out Of Box.
Beste Grüße Günther Wagner
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